G20-Treffen in Venedig Scholz will Klimasteuerkrieg verhindern

Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die Amtierende Generalkonsulin des deutschen Generalkonsulates in Mailand, Tatjana Schenke-Olivieri, fahren in einem Vaporetto zum G20 Gipfel in Venedig. Quelle: Imago

Der Bundesfinanzminister Olaf Scholz drängt beim G20-Gipfel in Venedig auf international abgestimmte CO2-Steuern anstelle eines europäischen Alleingangs.

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Der Veranstaltungsort hat Symbolkraft. Venedig liegt auf Meeresspiegelhöhe, ein Anstieg infolge des Klimawandels würde die Lagunenstadt irgendwann ertrinken lassen. Für Olaf Scholz ist es der perfekte Ort – zumal sich hier und heute die Finanzminister der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer treffen -, um sich große Sorgen um das Weltklima zu machen und überdies einen globalen Lösungsansatz anzubieten. Einen, der einen drohenden Welthandelskrieg in den nächsten Jahren verhindern kann. Olaf Scholz rettet die Welt, ein weiteres Mal. Denn noch ist die geplante Neuordnung des Weltsteuersystem nicht in trockenen Tüchern, da erkennt der SPD-Kanzlerkandidat auch schon die nächste globale Herausforderung.

Tatsächlich beginnen zahlreiche Länder damit, Emissionen zu besteuern. Deutschland erhebt ab diesem Jahr beispielsweise eine CO2-Steuer. Die EU bereitet einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus vor, auf englisch Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), der das Zeug für einen veritablen Wirtschaftskrieg hat, wenn ausländische Produkte bei der Einfuhr mit einer satten Emissionsabgabe verteuert werden.

Scholz hält es nun für notwendig, zu überlegen, wie die Staaten koordiniert vorgehen können. „Before we fight each other with border adjustments, we should think how we can cooperate“, sagt der Finanzminister in flüssigem Englisch vor der versammelten Kollegenschaft in Venedig. Der Krieg hätte auch einen Namen, „Carbon Leakage“. Damit ist gemeint, dass die Länder im Kampf gegen die weitere Klimaverschmutzung verhindern wollen, dass bei einer Emissionsbesteuerung die Produktion aus Kostengründen in andere Länder abwandert, wo keine derartigen Abgaben erhoben werden.

von Christian Ramthun, Sascha Zastiral

Um das zu verhindern, müsste halt eine Grenzabgabe erhoben werden. Es sei denn, und das ist Scholz sein Gedanke, dass alle Länder oder zumindest die großen Wirtschaftsnationen alle an einem Strang ziehen und gemeinsam eine Klimaschutzsteuer einführen. Irgendwie vergleichbar mitder weltweiten Mindestbesteuerung, mit deren Hilfe ebenfalls die Abwanderung von Unternehmen verhindert werden soll.

Das Problem von Scholz, Deutschland und der EU ist dabei, dass sie bei der CO2-Steuer eine Vorreiterrolle einnehmen. Andere Länder müssen also noch nachziehen beziehungsweise überzeugt werden. Deshalb möchte der Finanzminister den anderen Ländern noch ein wenig Zeit gewähren. Die europäische Grenzabgabe CBAM soll daher noch ein wenig warten. Konkret plant Scholz wohl einen Aufschub um zwei Jahre, der genutzt werden soll, um nach einer globalen Lösung zu suchen. Ihm schwebt sogar eine Art „Klimaklub“ vor.

Vorausgegangen sind kritische Analysen im Bundesfinanzministerium zum CBAM, wie ihn die EU-Kommission gerade vorantreibt. Dann müssten alle Importgüter nach ihrer CO2-Belastung auf das EU-Steuerniveau hochgehievt werden. Bei all den vielen Tausenden Produkten aus den verschiedensten Ländern mit Atom-, Gas- oder Kohlestrom wäre das ein „extrem aufwendiges Unterfangen“, gesteht ein Ministerialbeamter hinter vorgehaltener Hand.

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Noch schwieriger würde es, wenn EU-Produkte bei der Ausfuhr in Drittländer entsprechend von der hiesigen CO2-Steuer entlastet würden, um mit den „schmutzigen“ Produkten anderer Länder auf einem level playing field konkurrieren zu können. Das wären nämlich nach internationalem Handelsrecht verbotene Beihilfen, heißt es im Bundesfinanzministerium. Massive Handelskonflikte wären programmiert. Scholz hat dies sich zu Herzen genommen. Nun sucht er im Kreis seiner Finanzministerkollegen nach einer Lösung, als grüner Friedensengel sozusagen.

Mehr zum Thema: Einige Länder lehnen die Pläne für eine Weltsteuerreform vor dem Treffen der G20-Finanzminister in Venedig ab. Nun beginnt das Geschacher um großzügige Ausnahmen, um das Projekt auf den letzten Metern nicht zu gefährden.

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