Griechischer Schuldenberg Daumenschrauben für Steuersünder

Griechenland steht nicht nur bei den internationalen Geldgebern in der Kreide. Auch die Griechen selbst schulden ihrem Staat einen dreistelligen Milliardenbetrag. Jetzt greift der Fiskus durch.

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Im November 2017 stiegen die Schulden der Griechen bei ihrem Staat erstmals über die Marke von 100 Milliarden Euro. Quelle: dpa

Athen Hellas lässt die Rezession hinter sich. 2017 dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach vorläufigen Schätzungen um gut ein Prozent gewachsen sein. In diesem Jahr soll die Wirtschaftsleistung um 2,5 Prozent zulegen. Aber auch die Schulden wachsen. Beliefen sich die Verbindlichkeiten Ende 2017 noch auf 318,3 Milliarden Euro, setzt Finanzminister Euklid Tsakalotos im Haushalt 2018 einen Anstieg auf 332 Milliarden an. Damit wird die Schuldenquote von 178,6 Prozent des BIP Ende vergangenen Jahres auf 184,7 Prozent Ende 2018 anwachsen.

Dass die Schulden wachsen, liegt nicht zuletzt an den Hilfskrediten. In wenigen Wochen erwartet Athen eine weitere Auszahlung von 4,5 Milliarden Euro. Ein Teil dieser und weiterer erwarteter Kreditraten soll dazu dienen, einen Liquiditätspuffer von rund 15 Milliarden Euro für die Zeit nach dem Auslaufen des Hilfsprogramms aufzubauen. Außerdem will der Staat seine Zahlungsrückstände gegenüber privaten Lieferanten und Dienstleistern verringern. Entsprechend steigen die Auslandsschulden.

Seit dem Frühjahr 2010 hängt Griechenland am Tropf internationaler Darlehen. Gegenwärtig zehrt Athen vom dritten Rettungspaket, das im Sommer 2015 geschnürt wurde. Rund 80 Prozent der griechischen Staatsschulden entfallen mittlerweile auf öffentliche Gläubiger. Allein 182 Milliarden Euro entfallen auf den Euro-Stabilitätsfonds ESM und seinen Vorgänger EFSF, 53 Milliarden auf bilaterale Kredite von Euro-Staaten sowie 13 Milliarden auf die Europäische Zentralbank und nationale Notenbanken. Weitere 13 Milliarden Euro schuldet Griechenland dem Internationalen Währungsfonds (IWF).

Aber nicht nur gegenüber dem Ausland sind die Griechen hoch verschuldet. Sie stehen auch beim eigenen Staat in der Kreide. Im November 2017 – so die neuesten Zahlen, jetzt ermittelt von der Unabhängigen Behörde für Öffentliche Einnahmen (IAPR) – stiegen diese Schulden erstmals über die Marke von 100 Milliarden Euro. Das entspricht immerhin knapp 55 Prozent des BIP und rund dem Doppelten der letztjährigen Steuereinnahmen.

Dabei handelt es sich um festgestellte Steuerschulden. Rechnet man die Steuerhinterziehung hinzu, kommt man auf noch viel höhere Beträge. Fachleute schätzen, dass die Griechen pro Jahr rund 16 Milliarden Euro am Fiskus vorbeischleusen. Das wäre rund ein Drittel der erzielten Steuereinnahmen. Allein die hinterzogene Mehrwertsteuer dürfte sich auf rund sechs Milliarden im Jahr belaufen. Die schlechte Steuermoral in Griechenland gilt als eine Ursache der Finanzkrise des Landes.

Vor allem während der Krise sind die Außenstände festgestellter Steuern und Abgaben stark angestiegen – von unter 40 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf geschätzt 102 Milliarden Ende 2017. Allein im vergangenen Jahr wuchsen die Schulden der Steuerzahler um rund 12,5 Milliarden Euro. Inzwischen stehen 4,2 Millionen Griechinnen und Griechen in der Schuld des Fiskus, jeder zweite Steuerpflichtige. Allein 2017 kamen fast 61.000 säumige Zahler neu hinzu.

Es geht um kleine und große Beträge. Mehr als die Hälfte der 4,2 Millionen Schuldner stehen mit weniger als 500 Euro in der Kreide. Auf der anderen Seite entfallen rund 86 Prozent der Gesamtschulden auf 12.235 Firmen und Privatpersonen, die jeweils mehr als 150.000 Euro schulden. Manche wollen nicht zahlen, andere können nicht. Gegenüber den internationalen Geldgebern hat sich Griechenland verpflichtet, in diesem und den folgenden Jahren Primärüberschüsse im Haushalt von 3,5 Prozent des BIP zu erwirtschaften. Um dieses Ziel zu erreichen, hat Finanzminister Tsakalotos Einsparungen vorgenommen und Steuern erhöht. Aber viele Privathaushalte können wegen der hohen Arbeitslosigkeit und sinkender Einkommen die Abgaben nicht mehr aufbringen. Auch viele kleine und mittelgroße Betriebe sind überfordert.

Früher hatten die Schuldner wenig zu befürchten. Aber im Rahmen des fiskalischen Konsolidierungsprogramms, das Griechenland auf Geheiß der Gläubiger umsetzen muss, zieht der Fiskus jetzt die Daumenschrauben an. Allein im vergangenen November veranlassten die Finanzbehörden über 21.000 Zwangsmaßnahmen. Konten säumiger Zahler werden gepfändet, Vermögenswerte beschlagnahmt. Das neue Reformpaket, über das am Montag das griechische Parlament abstimmen soll, erleichtert Zwangsvollstreckungen, um Steuerschulden einzutreiben.

Rund 1,7 Millionen Schuldner stehen jetzt im Fokus des Fiskus. Aktuell ziehen die Finanzbehörden pro Tag im Schnitt 900 Zwangsmaßnahmen durch. Nachdem die Finanzämter 2016 rund 2,5 Milliarden Euro eintreiben konnten, waren es im vergangenen Jahr bereits fast fünf Milliarden. Neben der Drohung mit Zwangsmaßnahmen setzt der Fiskus auch auf Anreize: Säumige Zahler können ihre Schulden in bis zu 120 Monatsraten abstottern.

Letztlich wird der Finanzminister aber früher oder später nicht umhin kommen, einen Großteil der Außenstände abzuschreiben. Fachleute schätzen, dass von den rund 102 Milliarden bestenfalls ein Fünftel eingetrieben werden kann. Denn viele Schuldner sind längst tot, andere sind pleite.

Zum Beispiel Griechenlands größter Steuerschuldner, das frühere Brokerhaus „Akropolis“. Die Firma schuldet dem Staat 9,422 Milliarden Euro, ist aber bankrott. Die ehemaligen Inhaber sitzen wegen Betrugs hinter Gittern. Da ist nichts zu holen. Abschreiben muss der Fiskus wohl auch 1,674 Milliarden Euro Steuerschulden der ehemaligen staatlichen Fluggesellschaft Olympic Airways.

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