Industrieverband-Chefin Marcegaglia "Einheitliche Steuern in Europa führen zu Höchstsätzen"

Die italienische Industrielle Emma Marcegaglia ist Chefin des europäischen Industrieverbandes Businesseuropa. Quelle: Businesseuropa

Frankreich ist das neue Leitland Europas, sagt Emma Marcegaglia, Chefin des europäischen Industrieverbandes Businesseuropa, beim Davos-Gipfel. Außerdem erklärt sie, was Trumps Steuerreform für Europa bedeutet.

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WirtschaftsWoche: Signora Marcegaglia, Sie kommen gerade von einem Treffen weltweiter Unternehmenschefs mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Weltwirtschaftsgipfel nach Davos. Hier gilt Macron bereits als neuer Star in Europas Politik. Wie war Ihr Eindruck?
Emma Marcegaglia: Es war wirklich entzückend. Und hochkarätig besetzt: An diesen Tischen saßen zum Beispiel die CEOs von Goldman Sachs, JP Morgan, Toyota oder Novartis. Das war wirklich eine große Sache.

Sie sind schon Fan von Macron?
Er ist wirklich sehr klar in seinen Botschaften, sehr in den Details drin.

Zum Beispiel?
Er hat eine halbe Stunde seine Reformpläne beschrieben, danach jede Frage detailliert beantwortet. Und er hat ja auch schon angefangen, zu liefern, etwa beim Arbeitsmarkt. Frankreich ist zurück, wollte er vermitteln. Und ich glaube: Frankreich ist zurück. Es war eine sehr unternehmerfreundliche Rede.

Was war denn inhaltlich seine Schlüssel-Botschaft?
Er setzt ganz klar auf Europa. Er möchte eine kleinere Gruppe von Staaten bilden, die stärker zusammenarbeiten. Die sollen dann ein einheitliches Steuersystem, einen einheitlichen Arbeitsmarkt haben. Und das ist wirklich interessant. Denn so, wie es derzeit ist, bremsen jene, in denen nationalistische Strömungen Aufschwung haben. Gleichzeitig wissen viele Länder, dass es nicht so bleiben kann wie es ist. Das durch den Macron-Vorschlag zu lösen, wird natürlich nicht einfach, aber die Idee ist wirklich gut.

Er scheint die deutsche-französische Achse wiederbeleben zu wollen. Sind Sie da als Italienerin neidisch?
Natürlich ist diese Achse der Schlüssel, ohne sie hat sich in Europa ja auch nie etwas voran entwickelt. Er hat aber auch betont, dass er etwa sehr stark mit Italien zusammenarbeiten möchte, auch mit den Benelux-Staaten. Er hat auch mehrfach betont, sich nicht über die italienischen Wahlen zu sorgen.

Die stehen ja im März an und viele ausländische Wirtschaftsführer fürchten schon wieder Chaos. Wie sehen Sie das?
Ich würde das ähnlich sehen wie Präsident Macron. Die einzigen Bedenken hätte ich gegen die Fünf-Sterne-Bewegung. Aber mit dem geltenden Wahlrecht ist es unmöglich, dass die die Regierung stellen. Deswegen gibt es nur drei Optionen: Eine Mitte-Rechts-Regierung, eine Große Koalition oder eine Hängepartie. Und die ersten beiden Konstellationen sollten niemand in Europa erschrecken.

Marcegaglia fordert Investitionen in Bildung und Weiterbildung.

Insgesamt fällt auf, wie optimistisch Makro-Ökonomen überall auf der Welt derzeit die wirtschaftlichen Aussichten bewerten. Stimmt das mit der Mikro-Perspektive einer Unternehmensvertreterin überein?
Die nächsten zwei Jahre werden gute Jahre. Und zwar überall in der Welt. Aber wir als Europas Industrieunternehmen würden sagen: Jetzt darf keine Selbstzufriedenheit einsetzen. Die gute Lage muss die Möglichkeit sein, was zu tun. Und zu tun haben wir viel: Europa verliert an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Weltregionen und wir brauchen mehr Forschung und Entwicklung. Ich mag diese Einstellung nicht: Es läuft gut, also bleibt es gut.

Tut Europa genug, um digital mit zu halten?
Verglichen mit der Zeit vor zwei Jahren würde ich sagen: Es geht in die richtige Richtung. Mittlerweile hat zumindest jeder verstanden, dass Digitalisierung ein Thema für alle ist. Aber wir brauchen dringend einen einheitlichen digitalen Binnenmarkt in Europa. So fragmentiert, wie es derzeit ist, wird keine starke Digitalwirtschaft in Europa entstehen.

Das andere große Thema hier in Davos ist die wachsende Ungleichheit. Was können Europas Unternehmen dagegen tun?
Wir sagen: Das ist ein Thema, klar. Wir können das ja nicht ausblenden. Aber was wir nicht mögen: Wie das Problem meist diskutiert wird. Die Lösungen sind sicher nicht Steuererhöhungen oder Protektionismus. Was wirklich hilft: Investitionen in Bildung und Weiterbildung. Wer lebenslang lernt, verliert auch materiell nicht den Anschluss.

Das wäre doch eine schöne Aufgabe für die EU.
Ja, das sollten die Staaten gemeinsam angehen. Zum Beispiel sollte es ein unionsweites Recht geben, jederzeit an die Universität zurückzukehren.

Braucht die EU auch eine Antwort auf die Steuerreform von US-Präsident Donald Trump und seine Steuererleichterungen für Unternehmen?
Es gibt bei Trump Dinge, die ich nicht mag. Aber diese Reform, abgesehen von einigen strittigen Punkten, und deren Kern, die Steuern zu senken und Unternehmen bei ihren Investitionen in den USA zu unterstützen, ist richtig. Das wird ein Thema auch für andere Länder sein. Schon um keine Wettbewerbsnachteile zu erzielen. Und wir sehen ja, dass der Effekt wirkt: Apple und andere Konzerne haben ja schon angekündigt, einen Teil des Geldes zu investieren oder an ihre Arbeitnehmer zu geben.

Sollte Europa das zusammen angehen?
Wir mögen keine Standardisierung von Steuern. Einheitliche Steuern in Europa? Dann bekommen wir im Vergleich zu heute Höchstsätze. So was pendelt sich immer am oberen Ende ein. Aber koordinieren könnte man eine Antwort.

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