IW-Studie Wie Konflikte die Wirtschaft zerstören

Unter gewaltsamen Konflikten nimmt auch die Wirtschaftsleistung der betroffenen Länder immensen Schaden. Für den deutschen Außenhandel scheint Frieden jedoch kaum eine Rolle zu spielen.

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Düsseldorf Frieden ist nicht nur das Ziel von Menschenrechtlern und Nobelpreis-Aspiranten – ein konfliktarmes Land hat auch die besten Chancen auf eine starke Wirtschaft. Länder, die in den letzten 10 Jahren in viele Konflikten involviert waren, haben laut einer IW-Studie deutlich niedrigere Wachstumsraten und Investitionsquoten vorzuweisen als friedlicheren Nachbarn. Gerade akute politische Krisen hatten massive ökonomischen Auswirkungen. Zu diesen Ergebnissen kommt der Ökonom Hubertus Bardt in einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW).

Für die Bestimmung von besonders konfliktreichen Ländern hat Bardt den Global Peace Index (GPI) herangezogen. Die Kennziffer, die die Friedfertigkeit der Länder zusammenfasst, ist auch ein Teil des vielbeachteten Berichts des Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) und basiert auf 23 Einzelindikatoren.

Dabei werden nicht nur internationale Konflikte und Bürgerkriege, sondern auch Merkmale des „inneren Friedens“ wie Kriminalitätsraten und die Verbreitung von Waffen berücksichtigt. Um die Effekte der Auseinandersetzungen auf die Wirtschaftsleistung abzubilden, werden in der Studie zunächst die durchschnittlichen ökonomischen Kennziffern von konfliktreichen Ländern zwischen 2008 und 2017 mit denen der Gruppe der Schwellen- und Entwicklungsländer sowie der Gruppe afrikanischer Länder südlich der Sahara verglichen.

Das Resultat: Während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den konfliktreichen Ländern durchschnittlich mit nur 1,8 Prozent wuchs, konnte es in den Vergleichsgruppen um 5,1 Prozent (Schwellen- und Entwicklungsländer) und 4,4 Prozent (Sub-Sahara Afrika) zulegen.

Bei den Investitionsquoten lagen die konfliktträchtigen Länder mit etwa 20 Prozent gleichauf mit der Gruppe afrikanischer Länder südlich der Sahara, aber deutlich unter dem Wert der Schwellen- und Entwicklungsländer (31,9 Prozent). Während die Importe sich in allen drei Gruppen nahezu gleich entwickelt haben, ist das Exportwachstum in den konfliktreichen Ländern nur halb so hoch wie in den Schwellen- und Entwicklungsländern.

Deutliche Konfliktzuspitzungen fanden nach den in der Studie zugrunde gelegten Kriterien auf Basis der GPI-Werts zwischen 2008 und 2017 in Afghanistan, Syrien, Libyen, im Jemen, dem Südsudan und in der Ukraine statt.

Dabei kam es teilweise zu massiven Wachstumseinbrüchen und Verschlechterungen der Investitionsquoten. Im Jemen etwa stürzte das Wirtschaftswachstum während der Konfliktverschärfung 2015/2016 von 2,3 auf -18,9 Prozent ab. Die Investitionsquote brach von acht auf zwei Prozent ein. Schiitischen Huthi-Rebellen hatten die Hauptstadt Sanaa eingenommen und die Regierung zum Rücktritt gezwungen, woraufhin das benachbarte Saudi-Arabien eine Offensive gegen sie startete.

Noch verheerender war die Bilanz in Libyen. Dort brach das Wirtschaftswachstum 2010/2011 von -0,2 Prozent auf -31,7 Prozent ein. Das seit 1969 von Muammar al-Gaddafi diktatorisch geführte Land verfiel in Folge des Arabischen Frühlings in einen Bürgerkrieg, dessen Verlauf das Eingreifen der Nato entscheidend beeinflusste.

Auch in der Ukraine sank das Wachstum 2014/2015 von 0,1 auf -8,2 Prozent. Nach dem völkerrechtlich umstrittenen Anschluss der Halbinsel Krim durch Russland folgte eine militärische Eskalation im Osten der Ukraine.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen waren trotz der daraus resultierenden politischen Unsicherheiten für den deutschen Außenhandel hingegen kaum von Bedeutung. „Es ist schon bemerkenswert, wie robust die Kennzahlen sind“, sagte der IW-Ökonom Bardt dem Handelsblatt. „Deutschland weist eine erstaunliche Distanz zu den politischen Krisen auf.“

Schwankungen kommen dabei eher aus kleinen Änderungen der Friedfertigkeit bei den großen Handelspartnern, wie den USA. „Der Handel mit den kritischsten Konfliktländern spielt hier de facto keine Rolle“, sagte Bardt. Auch indirekte Wirkungen über gestörte Lieferwege oder extreme Rohstoffpreisaufschläge seien derzeit nicht zu beobachten.

Der IW-Ökonom warnt jedoch: Bei größere Konflikte von wichtigen Handelspartnern oder regionalen Konflikten mit einer internationalen Ausstrahlung wäre für die deutsche Volkswirtschaft mit spürbaren negativen Auswirkungen zu rechnen.

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