Die Stadt der brüderlichen Liebe war einst Vorreiter in Sachen Sauberkeit auf Straßen und Bürgersteigen. US-Gründervater Benjamin Franklin startete in Philadelphia in den späten 1750-er Jahren eines der ersten Straßenreinigungsprogramme des Landes. 1952 wurde die Stadt zusammen mit Memphis in Tennessee zur saubersten der USA gekürt.
Solche Auszeichnungen sind schon lange Geschichte. Armut und Müll gehen oft Hand in Hand, und die heute als „Filthadelphia“ („Filth“ bedeutet „Dreck“) verunglimpfte Stadt in Pennsylvania ist die ärmste der USA.
Im Zuge der Wirtschaftskrise von 2008 hatte die Stadtverwaltung die Straßenreinigung in Wohngebieten abgeschafft. Eine Rolle spielten dabei auch zunehmende Beschwerden von Anwohnern, die für die Kehrmaschinen nicht mehr ihre Autos umparken wollten. Philadelphia ist nun landesweit die einzige Stadt dieser Größe, in der Wohnstraßen nicht mehr gesäubert werden.
Mehrere Viertel haben nun beschlossen, den Kampf gegen den Müll selbst in die Hand zu nehmen. Eine gemeinnützige Nachbarschaftsgruppe im Stadtteil Germantown sammelte im Februar mit einem eigenen Müllauto Unrat ein. Andere Viertel haben aus eigener Tasche Straßenfeger oder professionelle Müllabfuhr-Unternehmen angeheuert.
Neben den Müllbergen leiden die Bewohner des einkommensschwachen Germantown auch unter Waffengewalt, Verschandelung und manchmal einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Man wolle helfen, das Problem zu lösen, weil die Stadt die Straßenabfälle alleine nicht in den Griff bekomme, erklärt Jordan Ferrarini, dessen Gruppe „Trades for a Difference“ den Müllwagen für Germantown anschaffte.
Die Organisation wirbt junge Leute aus dem Viertel für die Müllsammlung an und will ihr Angebot auf Verschönerungsprojekte und Pflanzaktionen ausweiten. Ziel sei es, Jobs in der Nachbarschaft sowie ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, sagt Ferrarini.
Die Stadt hat keine Probleme damit, dass sich Nachbarschaftsverbände mit eigenen Müllautos an der Straßenreinigung beteiligen. Carlton Williams vom Straßenbauamt sagt, die Gruppe in Germantown wolle die städtische Abfallentsorgung nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Das befürworte er.
„Müll ist eine gemeinschaftliche Aufgabe“, sagt er. „Das ist der Schlüssel zum Erfolg, und es ist toll, dass sie sich ehrgeizige Ziele setzen. Wir unterstützen das voll und ganz.“
In der ganzen Metropole haben sich Einwohner von arm bis reich Wege überlegt, um ihre Straßen sauber zu halten. Bürgermeister Jim Kenney kündigte kürzlich in seiner Rede zum neuen Haushalt der Stadt an, wieder in die Straßenreinigung investieren zu wollen. Losgehen soll es in diesem Frühjahr als Pilotprogramm in einer Handvoll Viertel.
Allerdings hat die Stadt nicht vor, Anwohner zum Umparken der Autos zu zwingen. Stattdessen sollen vor den Kehrmaschinen Arbeiter mit Laubbläsern herlaufen und Müll von Bordsteinkanten und unter Autos hervor pusten, wie der Straßenbau-Beauftragte Williams erklärt.
„Es ist schwer, einen Parkplatz zum Umparken zu finden“, sagt er. „Man kann nicht einfach auf die andere Straßenseite wechseln, und das ist in einigen Teilen der Stadt eine schwierige Herausforderung.“
Anderen dicht besiedelten Städten wie New York gelingt es jedoch, ihre Einwohner davon zu überzeugen, Autos umzuparken und der Straßenreinigung Vorrang zu geben. Williams zeigte sich offen dafür, sich bei den Behörden von New York City Rat in der Frage einzuholen.
Der Bürgermeister von Philadelphia rief 2016 ein Programm mit dem Ziel ins Leben, die Stadt bis zum Jahr 2035 zu 90 Prozent müllfrei zu machen. Im Mittelpunkt stehen der Kampf gegen Umweltverschmutzung und illegale Abfallentsorgung.
„Es ist schwierig, den Menschen zu sagen, dass sie ihren Müll nicht in die Gegend werfen sollen, wenn sie sehen, dass Leute in ihr Viertel kommen und LKW-Ladungen an Bauschutt auskippen“, sagt der Direktor des Programms „Zero Waste and Litter“, Nic Esposito.
Die Stadt hat Kameras an Orten installiert, an denen häufig Müll abgeladen wurde, um die Täter ermitteln und belangen zu können. Neue Auflagen sollen zudem Bau- und Abrissfirmen verpflichten, als Voraussetzung für die Genehmigung eines Projekts vorab einen Plan für die Schuttentsorgung vorzulegen.
Politiker haben im Laufe der Jahre verschiedene Ansätze ausprobiert. So startete der frühere Bürgermeister Michael Nutter 2007 einen stadtweiten Frühjahrsputz. Die Veranstaltung hat sich etabliert, in diesem Jahr findet sie am 6. April statt.
Experten halten die Beteiligung von Bürgern wie der gemeinnützigen Gruppe mit ihrem Müllwagen für eine aussichtsreiche Strategie im Kampf gegen Abfallberge und für ein Umdenken in einem Viertel.
„Nichts wird jemals so erfolgreich wie Basisbewegungen sein“, sagt Steven Stein, der eine auf die Müllproblematik spezialisierte Forschungsfirma namens Environmental Resources Planning betreibt. Das Unternehmen dokumentiert die Folgen von illegaler Abfallentsorgung.
„Wer das für eine aussichtslose Sache hält, irrt sich“, erklärt Stein. „Es ist machbar, weil die Leute sich dafür entscheiden.“