Medikamentenpreise in den USA Trump trifft die US-Pharmaindustrie mit seinem Maßnahmenpaket kaum

Die USA haben die höchsten Medikamentenpreise der Welt. Früher wollte Trump dagegen ankämpfen – jetzt gibt er sich jedoch deutlich zahmer.

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Der US-Präsident befasst sich mit den Medikamentenpreisen des Landes. Gesundheitsminister Alex Azar (l.) hat enge Verbindungen zur Pharmaindustrie. Quelle: dpa

Washington Die Pharmaindustrie komme sogar mit Mord ungeschoren davon, hatte Donald Trump im Wahlkampf getönt. Seinen Wählern versprach er, die Medikamentenpreise zu senken. Jetzt hat er einen Plan vorgelegt, der die Pharmaindustrie jedoch weitgehend ausspart. Stattdessen setzt er auf privaten Wettbewerb und eine Öffnung der Märkte, um Amerikas Leid mit den hohen Preisen für Medikamente zu lindern.

In seiner Ansprache im Rosengarten des Weißen Hauses nannte Trump am Freitag seinen Plan „die weitreichendste Aktion in der Geschichte, um die Preise verschreibungspflichtiger Medikamente für das amerikanische Volk zu senken“. Anders als im Wahlkampf versprochen, setzt er dabei aber nicht auf die massive Marktmacht von Medicare, der öffentlichen Krankenversicherung der USA für ältere Bürger und Bürger mit Behinderung, um niedrigere Preise auszuhandeln.

Trumps Plan – genannt „American Patients First“ – setzt sich aus 50 teils alten, teils neuen Maßnahmen zusammen, die mehr Wettbewerb und Transparenz im komplexen Preissystem für Medikamente schaffen sollen. Doch beim Großteil der Vorschläge könnten bis zur Umsetzung Jahre vergehen. Und es gibt keine Pläne, Arzneimittelhersteller davon abzuhalten, Mondpreise für ein neues Mittel aufzurufen.

„Es gibt einige Dinge in dem Maßnahmenbündel, die uns in die Richtung niedrigerer Preise für einige Menschen bringen können“, sagt David Mitchell, Gründer der Organisation Patienten für bezahlbare Medikamente. „Aber zugleich ist überhaupt nicht klar, wie das zu niedrigeren Listenpreisen führen kann.“

Arzneimittelhersteller können in den USA als Preis für ein Medikament so viel aufrufen, wie der Markt hergibt; denn im Gegensatz zu den meisten anderen Industrienationen werden die Medikamentenpreise in den Vereinigten Staaten nicht von der Regierung reguliert.

Mit der mächtigen Pharmalobby hat sich Trump nicht angelegt. Sein Plan könnte viele Amerikaner enttäuschen, die unter den enormen Arzneipreisen leiden. „Dieser schwache Plan lässt Millionen von hart arbeitenden Familien allein mit dem Problem der steigenden Medizinpreise“, monierte die Vorsitzende der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi.

Die Wirtschaft zeigte sich dagegen erleichtert. Trump habe sich für ein schrittweises und gegen ein abruptes Vorgehen entschieden, schrieb etwa der Analyst Terry Haines. Die Aktienkurse der meisten Medikamentenhersteller legten am Freitag deutlich zu.

Trump ist umgeben von einer Reihe von Beratern mit engen Verbindungen zur Pharmaindustrie – in vorderster Front Gesundheitsminister Alex Azar, einst einer der wichtigsten Männer beim Pharmariesen Eli Lilly. Azar trat am Freitag mit Trump vor die Presse und stellte sich anschließend Reportern. Man könne ein über Jahrzehnte gewachsenes System nicht einfach über den Haufen werfen, sagte er. „Aber wir haben die tiefe Verpflichtung für einen strukturellen Wandel.“

Die steigenden Gesundheitskosten sorgen bei den Amerikanern seit Jahren für wachsenden Ärger. Neue Medikamente gegen lebensbedrohliche Krankheiten kosten oft mehr als 100.000 Dollar pro Jahr. Die Preise für bereits eingeführte Arzneien gegen verbreitete Leiden wie Diabetes oder Asthma steigen oft um zehn Prozent pro Jahr.

Dazu kommt, dass die Amerikaner in den Apotheken mehr bezahlen müssen, weil die Selbstbeteiligung angehoben wurde. All das trägt dazu bei, dass die USA das Land mit den höchsten Medikamentenpreisen der Welt sind.

Die Ausgaben pro Kopf lagen im Jahr 2015 bei 1162 Dollar jährlich, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ermittelte. Das ist beispielsweise mehr als das Doppelte, was in Großbritannien pro Kopf ausgegeben wird (497 Dollar), wo es ein staatliches Gesundheitssystem gibt.

Trump prangerte in seiner Rede auch ausländische Regierungen an, die von den US-Arzneimittelherstellern „unbegründet niedrige Preise erpressen“. Das werde auch ein wichtiges Thema bei künftigen Handelsgesprächen sein.

Doch Experten zweifeln, ob die USA ausländische Regierungen dazu bewegen können, mehr für amerikanische Medikamente zu bezahlen. „Es ist schwer zu verstehen, warum Deutschland, Frankreich oder Australien in so etwas einwilligen sollten“, sagt Professor Jack Hoadley vom Institut für Gesundheitspolitik an der Georgetown University in Washington.

In den USA ist Medicare der größte Kunde für verschreibungspflichtige Medikamente. Mehr als 60 Millionen Senioren und Menschen mit Behinderungen sind dort versichert. Doch Medicare ist es per Gesetz verboten, direkt mit den Arzneimittelherstellern zu verhandeln und so womöglich niedrigere Preise zu erzielen.

Die Pharmalobby sträubt sich dagegen, Medicare für solche Verhandlungen zuzulassen. Seit Trumps Amtsantritt investierte man Millionen von Dollar, um die Meinung in Washington zu Arzneimittelpreisen zu beeinflussen – darunter auch eine groß angelegte TV-Werbe-Kampagne.

Nach einer Erhebung der Non-Profit-Organisation Center for Responsive Politics gab allein die führende Lobbyorganisation Pharmaceutical Research and Manufacturers of America fast 26 Millionen Dollar aus, um politische Entscheidungsträger auf ihre Seite zu bekommen.

Das war die höchste Investition seit dem Jahr 2009, in dem im Kongress vehement um Obamacare gestritten wurde, die Gesundheitsversorgung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama.

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