Nordkorea Warum Diktatoren mit dem Säbel rasseln

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Die Symbolik wirkt stärker im Totalitarismus

In abgeschotteten Gesellschaften wie Turkmenistan verfängt solche Symbolik viel leichter als in relativ liberalen Autokratien wie Russland – erst Recht dann, wenn die Kraft des Totalitarismus wirkt. Nach jahrzehntelanger Indoktrination bei geschlossenen Grenzen wird das Gros der Bevölkerung im Norden Koreas tatsächlich immer noch glauben, dass ihr „System“ dem des Westens überlegen ist. Es fehlt schlicht an Erfahrungen mit alternativen Lebensweisen, die kritische Einstellungen bewirken könnten. Insofern dürften die Tränen echt gewesen sein, die die Nordkoreaner beim Tod ihres „Führers“ Kim Jong-il im Dezember 2011 zu Hunderttausenden vergossen hatten.

Der neue Diktator sitzt längst nicht fest im Sattel. Also muss er sich im Innern Respekt verschaffen. Mit seiner Kriegsrhetorik gegen die USA bedient er das Feindbild des Westens, das in Nordkorea bis heute intakt ist. Das medial inszenierte Säbelrasseln mit Atomtests, Militäraufmärschen und spitzen Attacken gegen den Klassenfeind im Westen sollen die Nation geschlossen hinter dem „großen Führer“ versammeln.

Die Kriegsrhetorik ist ein großer Bluff – gegenüber der eigenen Bevölkerung ebenso wie gegenüber dem Westen. In Washington und Seoul freilich ist man sicher, dass Kim Jong Un weder militärisch noch ökonomisch zu einem Kräftemessen mit dem Westen in der Lage ist. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Nordkoreas ist Schätzungen zufolge 600-mal kleiner als das der USA, auch wenn Pjöngjang prozentual sicher noch mehr Geld in der Rüstung verbrennt.

Überhaupt liegt Nordkorea ökonomisch am Boden. Weite Teile der Bevölkerung sind verarmt, von funktionierenden Industrien ist nichts bekannt. Allein die Einnahmen aus dem Transit von russischem Erdgas durch eine Pipeline, die Moskau durch Nord- nach Südkorea betreiben will, könnten das BIP des Landes um bis zu fünf Prozent erhöhen. Was heißt, wie ausgeblutet das kleine Land im Fernen Osten ist.

Als Kim Jong Un im vergangenen Jahr seine ersten Praxis-Übungen als Diktator machte, war viel von Öffnung und internationaler Wirtschaftskooperation zu hören. Anders, da sind sich Experten in West wie Ost einig, hat Nordkorea ohnehin keine ökonomische Zukunft in Zeiten der Globalisierung. Gut möglich, dass sich dessen auch der junge Diktator Kim Jong Un bewusst ist. Aber ebenso wird er wissen: Wenn die Bevölkerung nicht hinter ihm steht, wird er keine Legitimität für Reformen besitzen.

Insofern ist wahrscheinlich, dass sich der junge Diktator jetzt den generellen Respekt verschafft, den er für einen souveränen Reformkurs braucht – in der Hoffnung, dass ihm das die USA und Südkorea abnehmen.

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