NRA Bei den US-Kongresswahlen steht viel auf dem Spiel – doch die Waffenlobby hält sich überraschend zurück

Nach zwei Jahren Trump im Weißen Haus sind die Kongresswahlen die erste Abstimmung über den US-Präsidenten. Die sonst äußerst rege NRA hält sich jedoch auffallend zurück.

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Die laxen Waffengesetze in Teilen der USA sorgen immer wieder für Diskussionen. Quelle: Reuters

Washington Es steht viel auf dem Spiel bei der US-Kongresswahl am 6. November – sind sie doch eine erste Abstimmung über den extrem umstrittenen Donald Trump nach zwei Jahren im Weißen Haus. Entsprechend haben Kandidaten, Parteien und andere Organisationen so viel Geld in den Wahlkampf gesteckt, dass diese „Midterms“ – die jeweiligen Zwischenwahlen in der Mitte der Amtsperiode eines Präsidenten – schon jetzt als die teuersten in der US-Geschichte gelten.

Aber eine Gruppe, die über lange Jahre hinweg als ein Königsmacher in der republikanischen Politik betrachtet worden ist, hat sich dieses Mal auffallend zurückgehalten: die mächtige Waffenlobby-Organisation National Rifle Association, kurz NRA.

Gerade einmal elf Millionen Dollar (9,6 Millionen Euro) hat sie bisher in die Rennen ums Abgeordnetenhaus und den Senat gesteckt – halb so viel wie bei den Wahlen vor vier Jahren, bei der die Republikaner die volle Kontrolle über den Kongress gewannen.

Die diesjährigen Ausgaben liegen auch weit unter den 54 Millionen Dollar, die der Verband 2016 in die Präsidenten- und Kongresswahlen investierte.

Dagegen sind die Aufwendungen von Gruppen und Personen, die für schärfere Waffengesetze eintreten, in die Höhe geschnellt. Da ist zum Beispiel die vom früheren New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg gegründete Organisation Everytown for Gun Safety: Sie hat vor dem Wahlkampf Ausgaben in Höhe von 30 Millionen Dollar in Aussicht gestellt und lässt es auch in diesen letzten Tagen nicht an frischem Geld mangeln.

Ein von der ehemaligen Kongressabgeordneten Gabby Giffords ins Leben gerufenes Aktionskomitee wird fast fünf Millionen Dollar ausgegeben haben, wenn am 6. November die ersten Wahllokale öffnen. Giffords hatte bei einem Attentat 2011 lebensgefährliche Schusswunden erlitten.

So deutet vieles darauf hin, dass die NRA in ihren Aufwendungen zum ersten Mal unter den derzeitigen Gesetzen zur Wahlkampffinanzierung von Gruppen übertroffen wird, die eine schärfere Waffenkontrolle wollen. Aber so oder so spiegelt die Entwicklung eine sich verändernde politische Landschaft in Sachen Waffen wider: Eine ganze Serie von Bluttaten im Wahljahr 2018 hat Spuren hinterlassen – angefangen mit dem Amoklauf an einer High School in Parkland in Florida im Februar mit 17 Toten.

Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Amerikaner jetzt zumindest gewisse Verschärfungen der Waffengesetze befürwortet – und das gibt Organisationen wie Everytown oder Giffords' Aktionskomitee Auftrieb. Und sie seien klüger geworden, meint Jim Kessler von der Denkfabrik Third Way. „Sie haben auch mehr Ressourcen als früher, sowohl was Menschen als auch was Geld betrifft.“

Unternehmen boykottieren die NRA zunehmend

So engagieren sie sich denn eifrig in Wahlbezirken mit hohem Anteil an Wechselwählern und besonders in städtischen Vororten, die entscheiden könnten, wer im nächsten Jahr die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellt. Derzeit sind es hier wie auch im Senat die Republikaner. In den USA stehen alle zwei Jahre sämtliche 435 Abgeordnetensitze und jeweils ein Drittel der 100 Mandate im Senat zur Wahl.

Nach der tödlichen Attacke in einer Synagoge in Pittsburgh (Pennsylvania) am vergangenen Samstag hat Everytown noch einmal 700.000 Dollar für Anzeigenwerbung gegen einen Republikaner in Colorado ausgegeben, der bei der Wahl als besiegbar gilt. Insgesamt vier Millionen Dollar wurden zur Unterstützung einer Demokratin und Aktivistin in Georgia aufgewendet, deren Sohn 2012 durch Waffengewalt ums Leben kam.

Bloomberg, der eine Präsidentschaftsbewerbung als Demokrat 2020 erwägt, hat persönlich insgesamt etwa 120 Millionen Dollar in die Kongresswahl investiert. Er will besonderen Druck auf Parlamentarier aufrechterhalten, die mit seiner Hilfe am 6. November gewinnen – damit sie auch wirklich in Washington schärfere Waffengesetze bewirken. „Ich habe eine außerordentliche Menge meines Geldes und meiner Zeit hierfür aufgewendet“, sagte Bloomberg der Nachrichtenagentur AP. „Ich werde das nicht vergessen. Ich werde nicht locker lassen.“

Tatsächlich hat der Ex-Bürgermeister seinen Anteil daran, dass die NRA in diesem Wahlkampf weniger Profil zeigt. Nach der Wahl 2016 hatte sich die Organisation in Hochstimmung befunden – mit einem Unterstützer im Weißen Haus und einem vollständig von den Republikanern beherrschten Kongress.

Aber 2018 war schwierig. Im Gefolge der zahlreichen Bluttaten mit Schusswaffen wurde die NRA von mehreren Unternehmen boykottiert. Hinzu kamen Ermittlungen wegen Vorwürfen, nach denen verdeckte russische Agenten NRA-Vertreter umworben und Geld durch die Organisation geschleust haben, um die Wahl 2016 zugunsten von Trump zu beeinflussen.

Die NRA propagiert in der Öffentlichkeit, dass ihre Kassen nicht so voll seien wie bisher – wegen finanziell gut gepolsterter liberaler Opposition gegen Waffen und „Lügen“, die Medien über die Organisation verbreiteten. Die NRA hat im Sommer ihre jährlichen Mitgliedsbeiträge von 40 auf 45 Dollar angehoben – der zweite Anstieg binnen zwei Jahren.

Aber Beobachter glauben, dass die Gruppe nicht wirklich in finanziellen Nöten steckt, sondern mit ihrer Darstellung darauf abzielt, ihre Unterstützer zu befeuern. Tatsächlich hat die NRA dieses Jahr über zwölf Millionen Dollar Spenden gesammelt – eine gute Million mehr als im „Midterm“-Jahr 2014.

Und pumpt sie auch weniger Geld in den laufenden Wahlkampf, so besitzt sie andere Mittel zur Einflussnahme: das NRATV, ihren Medienarm, zum Beispiel, und die Fähigkeit, ihre Mitglieder zum Wählen am 6. November zu mobilisieren. Und das sind – jedenfalls nach eigenen Angaben – stolze sechs Millionen.

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