Post aus Harvard

Japan steckt in einem Dilemma

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Keine vernünftige Alternative

Nicht weniger vertrackt als die Geldpolitik entwickelt sich die Haushaltspolitik unter Premier Abe. Er begann seine Amtszeit mit einem großen Ausgabenprogramm, in dessen Mittelpunkt der Ausbau der Infrastruktur stand. Japan musste ja auch mit den Folgen des Erdbebens von 2011 fertig werden. Abe erhöhte aber auch die Mehrwertsteuer von fünf auf acht Prozent, um etwas gegen das riesige Staatsdefizit zu tun. Das war schädlich für die Konjunktur, in zwei Quartalen sank das japanische BIP. Die reale Wirtschaftsleistung ist gegenwärtig nicht höher als 2008.

Sollte die Notenbank es schaffen, die Inflation auf zwei Prozent zu steigern, wird das staatliche Defizit rapide ansteigen, weil der Zinssatz auf die hohen Schulden des Staates dann nicht mehr bei null bleiben kann. Wenn die Regierung dann nicht Ausgaben zurückfährt und Einnahmen steigert, würde das dem Vertrauen in die japanische Wirtschaft schaden. Spekulationen würden angeheizt, dass die Regierung in Tokio am Ende einen Teil ihrer Schulden nicht zurückzahlen kann.

Und was ist mit dem, dritten Pfeiler der Abenomics, den Strukturreformen? Positiv ist zu verzeichnen, dass etwas mehr Frauen als früher am Erwerbsleben teilnehmen und dass mehr Touristen ins Land kommen. Eine Reihe von Reformen sollen die protektionistische Landwirtschaft liberalisieren – doch wesentliche Änderungen sind hier an die Ratifizierung des Trans-Pazifischen Freihandelsabkommens TPP gebunden sind und werden außerdem erst im Laufe etlicher Jahrzehnte wirksam.

Ein großes langfristiges Problem bleibt der demographische Wandel mit schrumpfender Bevölkerung und entsprechend schrumpfender Zahl von Beschäftigten. Abe hat gerade die Japanerinnen aufgerufen, mehr Arbeitsplätze außerhalb der eigenen vier Wände zu suchen. Es gibt auch ein System für auf höchstens drei Jahre befristete Arbeitserlaubnisse für Ausländer in Japan. Das Land wird aber keinesfalls sein demographisches Problem durch legale Zuwanderung auf Dauer lösen.

Die Zurückhaltung gegenüber möglichen neuen Arbeitskräften – seien es Ausländer, seien es japanische Frauen – ist wahrscheinlich auf den relativen Reichtum zurückzuführen, den die japanische Gesellschaft noch genießt. Die Japaner scheinen offenbar ihre heutige Art zu leben und die kulturelle Homogenität im Land verteidigen zu wollen. Auch wenn diese Haltung schnelleres Wirtschaftswachstum hemmt.

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