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Japans Endspiel – aber mit welchem Ende?

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Der Ex-Chefvolkswirt des IWF sieht Japan vor dem monetären Endspiel. Nur so lassen sich die Staatsschulden bewältigen. Ein spannendes Menetekel für unsere Zukunft.

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Japan leidet unter hoher Staatsverschuldung, schwachem Wachstum und der Überalterung der Bevölkerung. Quelle: AP

Irgendwann im Jahre 2017 wird die japanische Notenbank mehr als 50 Prozent der ausstehenden Staatsschulden Japans halten. 2020 dann schon weit über 60 Prozent. Schon heute dient die aggressive Geldpolitik des Landes nur noch vordergründig dazu, die Wirtschaft zu stimulieren und die Deflation zu bekämpfen.

In Wahrheit ist es bereits jetzt die Vorbereitung auf den großen Schnitt. Helikopter-Geld, also die direkte Finanzierung des Staates durch die Notenbank oder direkte Geldgeschenke an die Bürger, werden bei uns noch diskutiert, in Japan faktisch realisiert. Schon jetzt kauft die Bank of Japan mehr Staatsanleihen auf, als jährlich neu dazu kommen. Der Staat wird also von der Notenbank finanziert.

Bis jetzt hat diese Form der Staatsfinanzierung noch nicht zu Weimarer Verhältnissen geführt. Bis jetzt. Übrigens hat auch die direkte Finanzierung des deutschen Staates nach dem ersten Weltkrieg nicht sofort zur Hyperinflation geführt. Im Gegenteil. Anfangs lief alles bestens, die Wirtschaft erholte sich, und die Arbeitslosigkeit blieb gering. Doch dann kam es zum Vertrauensverlust in Geld. Von einem Tag auf den anderen trauten die Leute dem Geld nicht mehr und gaben es schneller aus. Für Sachwerte aber auch für Konsum. Die Preise begannen für alle sichtbar zu steigen, und wie in einem Kino, in dem man laut „Feuer“ schreit, stürmten alle zur Tür – die Hyperinflation war da.

Noch schreit niemand „Feuer“ in Japan. Noch hält das Vertrauen, wie man auch am Wiedererstarken des Yen ablesen kann. Der stärkere Yen zeigt, dass der Markt die Inflationierung noch nicht sieht. Stattdessen bleibt das Land in Stagnation und geringer Inflation gefangen. Diese sind Folge der Verschleppung der Überschuldungskrise gepaart mit der demografischen Entwicklung.

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In der demografischen Entwicklung sehen Beobachter wie der ehemalige Chefvolkswirt des IWF, Olivier Blanchard, den Auslöser für die nächste Stufe des japanischen Dramas. Da die zunehmend alternde Gesellschaft immer weniger spare, sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis der japanische Staat auf Finanzierung aus dem Ausland angewiesen sei. Ausländer würden sich jedoch nicht mit Zinsen von 0,36 Prozent pro Jahr auf 30jährigen japanischen Staatsanleihen zufrieden geben. Die höheren Zinsen würden dann den Druck auf die Bank of Japan erhöhen, noch mehr zu intervenieren, und damit den Weg zur Monetarisierung und Inflationierung aufmachen. Damit wäre Japan das erste Land in diesem Krisenzyklus der Weltwirtschaft, welches den Weg der bewussten Inflationierung geht. Das „monetäre Endspiel“.

Ich selbst bezweifle, dass wir einen Anstieg der Zinsen sehen werden. Die Bank of Japan wird schon vorher eine vollumfängliche Finanzierung des Staates sicherstellen. Die Zinsen dürften deshalb nicht nur tief bleiben, sondern noch weiter sinken. Damit könnten japanische Staatsanleihen ihren nun fast dreißigjährigen Bullenmarkt noch ein paar Jahre fortsetzen.

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