Russland in der Krise Putins teure Eskapaden

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Der Westen schadet sich mit Sanktionen selbst

Keine Angst vor Sanktionen

Moskau reagierte auf die Sanktionen, indem das Außenministerium höhere Energiepreise in Aussicht stellte: Die „antirussischen Sanktionen“ seien ein „unbedachter, unverantwortlicher Schritt“, der unausweichlich zu höheren Preisen auf dem europäischen Energiemarkt führen werde, hieß es in einer Erklärung des Ministeriums. Die EU bezeuge zudem ihre „Unfähigkeit, eine eigenständige Rolle“ in der Weltpolitik zu spielen. Die Reaktion zeigt, die Beschlüsse der vergangenen Woche haben Putin auf dem falschen Fuß erwischt: In Moskau war man offenbar davon überzeugt, Europa werde sich schon nicht zu Wirtschaftssanktionen verleiten lassen. Aus Kreml-Sicht ist die EU ein heillos zerstrittener Club aus Amerika-hörigen Individualisten, deren moralische Werte im Zweifel den Wirtschaftsinteressen untergeordnet sind.

In Russland macht man gute Miene zum bösen Spiel. Staatlich kontrollierte Medien betonen, der Westen schade sich mit Sanktionen selbst – und diese würden darum am Ende nicht so scharf ausfallen. Zumal Russland ja stark genug sei, die Folgen abzufedern. Nach einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Zentrums fürchtet nur ein Drittel der Russen irgendwelche Folgen der Sanktionen; im Mai waren es noch mehr als zwei Drittel gewesen. Überhaupt sei der Kreml der falsche Adressat für diese Strafaktion, die sich gegen die Regierung in Kiew richten müsste. In Russland ist man denn auch überzeugt, die Kiewer „Junta“ oder der US-Geheimdienst habe Flug MH17 abgeschossen, um Putin zu belasten; ganz Russland verliert sich in diesen Tage in Verschwörungstheorien.

Wirtschaftswachstum in Russland.

Tatsächlich aber baut die Regierung gegen mögliche Härten durch die Sanktionen vor. Premierminister Dmitri Medwedew kündigte an, Importe durch lokale Produkte ersetzen zu lassen – was eben auch Softwarehersteller PSI treffen könnte. Die Regierung will notfalls „finanzielle Ressourcen“ zur Unterstützung heimischer Hersteller mobilisieren. So gesehen müssten Sanktionen „gar nicht mal schlecht“ für Russland sein, sagt Medwedew. Sie würden die Nachfrage nach inländischen Produkten steigern. Und so diktierte er bereits ein fünfseitiges Dekret mit Gütern, die künftig aus russischen Fabriken stammen müssen – darunter Karossen für Staatsdiener. Dieses Geschäft wird Mercedes und BMW künftig entgehen.

Für einige Zeit kann das gut gehen. Lokale Werkzeugmacher, die noch mit Ausrüstung aus Sowjetzeiten arbeiten, berichten dieser Tage von steigenden Auftragseingängen. Metallbauteile, die bis vor einigen Wochen bei einem deutschen Hersteller bestellt worden wären, produzieren jetzt russische Hersteller auf ihren antiquierten Drehmaschinen. Es könnte ja sein, dass die Bestellung wegen der Sanktionen nicht ausgeliefert wird. Zumal der schwache Rubel die Importe teuer macht, derweil eine Kreditfinanzierung in diesen Zeiten kaum zu kriegen ist. Je größer die Notlage, desto enger rückt das Land zusammen: „Natürlich fährt der Russe lieber im Mercedes durch Moskau“, sagt ein deutscher Investor, „aber wenn es sein muss, kommt man auch mit dem Lada von A nach B.“ Nur fällt das Land technologisch weiter in die Sowjetzeit zurück und behilft sich selbst mit niedriger Qualität – anstatt in zukunftsfähige Technologien zu investieren, mit denen man auch in Zeiten niedriger Ölpreise am Weltmarkt bestehen kann. Ökonom Jakowlew spricht daher von einer „Krise der Zukunft“, die Putin heraufbeschwöre.

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