Staatskrise Venezuela sucht Russlands Nähe

Venezuela steckt tief in der Krise - jetzt sicher sich Russland Insidern zufolge Zugang zu den Ölreserven des Landes und versorgt Venezuela auf diesem Weg mit dringend benötigtem Geld.

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Venezuela verfügt über die weltgrößten Ölreserven. Quelle: dpa

Russland sichert sich Insidern zufolge angesichts der schweren Krise in Venezuela Zugang zu den größten Ölreserven der Welt. Die Regierung in Moskau versorgt die venezolanische Führung mit dringend benötigtem Geld, um einen Staatsbankrott zu verhindern, wie mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagen. Als Gegenleistung erhält sie Öl. Der russische Konzern Rosneft ist in diesem Zusammenhang zu einem wichtigen Mittelsmann geworden, um Erdöl des lateinamerikanischen Landes auf dem Weltmarkt zu verkaufen.

Venezuela droht die Pleite: Der radikale Umbau des Staates durch Präsident Maduro hängt auch mit der Angst vor dieser Pleite zusammen. Alles wird verscherbelt, doch das Kartenhaus droht einzustürzen.

Mindestens seit Anfang des Jahres verhandelt der venezolanische Ölkonzern PDVSA schon hinter verschlossenen Türen mit Rosneft über Beteiligungen an bis zu neun der produktivsten Ölfelder, wie ein hochrangiger Regierungsvertreter aus Caracas und Brancheninsider sagen. Allein im April zahlte Rosneft mehr als eine Milliarde Dollar im Tausch für ein Versprechen auf spätere Öl-Lieferungen, so ein hochrangiger PDVSA-Mitarbeiter. Bei mindestens zwei Gelegenheiten sei russisches Geld verwendet worden, um einen Zahlungsausfall zu verhindern.

PDVSA und die venezolanische Regierung wollten sich nicht zu den Reuters-Informationen äußern. Auch die russische Regierung und Rosneft lehnten eine Stellungnahme ab.

ÖLFÖRDERUNG SINKT NACH DRASTISCH GEKÜRZTEN INVESTITIONEN

Venezuela verfügt über die weltgrößten Ölreserven und erwirtschaftet nahezu seine gesamten Einnahmen aus dem Verkauf des Rohstoffs. Angesichts des Preisverfalls in den vergangenen Jahren ist Präsident Nicolas Maduro und seine Regierung aber in Geldnot geraten und kann die großzügigen Subventionen bei Lebensmitteln, Treibstoff oder Medizin, die Maduros Vorgänger Hugo Chavez eingeführt hatte, kaum noch zahlen. Die Währung des Landes ist inzwischen nahezu wertlos, die Inflation dürfte nach einer Prognose des Internationalen Währungsfonds in diesem Jahr auf 700 Prozent steigen. Auch die Investitionen in das Ölgeschäft gehen deutlich zurück, was die Förderung bremst: In der ersten Jahreshälfte war sie so gering wie seit 27 Jahren nicht mehr.

Bei der Opposition stößt die Annäherung an Russland auf Kritik. "Rosneft verschafft sich definitiv Vorteile aus dieser Situation", sagt der Parlamentsabgeordnete Elias Matta. "Sie wissen, dass es eine schwache Regierung ist, dass sie verzweifelt nach Geld sucht - und sie sind Haie." Rosneft hat sich inzwischen als Mittelsmann für venezolanische Ölexporte positioniert, wie auch aus internen Dokumenten hervorgeht. Ein Großteil dieses Öls geht demnach trotz der geltenden Russland-Sanktionen in die USA. Möglich wird dies, weil Zwischenhändler eingeschaltet werden. Täglich setzt Rosneft nach Handelsdokumenten von PDVSA etwa 225.000 Barrel (je 159 Liter) venezolanisches Öl ab, das entspricht 13 Prozent der gesamten Ausfuhren und der Menge, die ein Land wie Peru täglich benötigt.

US-Präsident Trump hat mit seiner Aussage, auch militärische Schritte seien in Venezuela möglich, viel Entsetzen erzeugt. Sein Vize Pence betont in Kolumbien das Bemühen um eine friedliche Konfliktlösung.

Die Regierung in Caracas bezeichnete die russischen Investitionen in seine Ölbranche zuletzt als Vertrauensbeweis. Insbesondere in den vergangenen beiden Jahren ist Maduro näher an Russland herangerückt, nachdem China seine Unterstützung nach Korruptionsfällen und Zahlungsproblemen zurückgefahren hat, wie Analysten und Vertreter der Ölbranche erklären. Auch westliche Firmen haben ihre Investitionen in Venezuelas Ölbranche gekürzt. "Die Russen kriegen Venezuela jetzt zum Tiefstpreis", sagt ein westlicher Diplomat. Und während andere Unternehmen ihre Büros aufgeben, hat Rosneft erst kürzlich eine weitere Etage dazugemietet und neue Mitarbeiter eingestellt. Derzeit gehören Rosneft bereits größere Anteile an fünf venezolanischen Ölprojekten. Die neun neuen Projekte, die nun im Gespräch sind, sind Brancheninsidern zufolge fünf Vorkommen im ölreichen Orinoco-Becken, drei in der Maracaibo-See und eines im Golf von Paria.

RISIKO FÜR RUSSLAND?

Die Geldnot Venezuelas spielt dem hochrangigen Regierungsvertreter zufolge auch eine Rolle bei den gewalttätigen Protesten. In dem Land ist ein Machtkampf zwischen Präsident Maduro und der Opposition entbrannt. Bei den Massenprotesten sind seit Anfang April mehr als 120 Menschen getötet worden, mehrere Tausend wurden verhaftet. Maduro hat mit der Wahl einer Verfassungsversammlung das Parlament ausgehebelt, in dem die Opposition über die Mehrheit verfügt - und das mehrheitlich gegen neue Öl-Abkommen mit Russland ist. "Druck seitens Russland hat eine wichtige Rolle bei Maduros Entscheidungen gespielt", so der Regierungsvertreter. Nach Reuters-Berechnungen haben Russland und Rosneft Venezuela seit 2006 mindestens 17 Milliarden Dollar an Krediten eingeräumt. Venezuela selbst legt keine Daten zu den russischen Darlehen vor.

Doch die russische Strategie ist risikobehaftet. Viele westliche Ölfirmen hatten einen Rückschlag erlitten, als Maduros Vorgänger Chavez die Branche im Land verstaatlichte. Sollte die Opposition an die Macht kommen, könnte es Rosneft ähnlich gehen.

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