Staatsverschuldung Italiens Regierungschef Conte sieht keine Anhaltspunkte für Defizitverfahren

Giuseppe Conte eckt mit einer expansiven Fiskalpolitik bei der EU an. Doch für ein Strafverfahren wegen zu hoher Schulden sieht er keine Begründung.

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Der italienische Premierminister kritisiert die EU-Regeln zur Finanzierung von verschuldeten Staaten. Quelle: Reuters

Rom Italien hat zur Abwendung eines Strafverfahrens wegen zu hoher Schulden erneut Dialogbereitschaft mit Brüssel zugesagt und gleichzeitig eine Änderung der EU-Regeln angemahnt. Ein Strafverfahren auf Grundlage einer „fragwürdigen Bewertung“ durch die EU-Kommission sei nicht nachvollziehbar, erklärte Regierungschef Giuseppe Conte in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an die 27 übrigen EU-Staaten, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk, den Rom am späten Mittwochabend nach Brüssel gesendet hatte.

Italien droht wegen des Anstiegs der Staatsverschuldung ein Strafverfahren, das die EU-Kommission empfohlen und für das sie bereits von den EU-Staaten Rückendeckung bekommen hat. Die Regierung in Rom will das verhindern. Brüssel fordert dafür aber für 2019 und 2020 ein glaubhaftes Szenario zur Sanierung der Finanzen.

Conte bezeichnete die bisherigen EU-Regeln als „unzulänglich“, um den Herausforderungen durch „verarmte Gesellschaften, die von Misstrauen, Enttäuschung und Groll durchzogen sind“ zu begegnen. Man müsse sich fragen, wie ein „effektives Gleichgewicht zwischen Stabilität und Wachstum“ hergestellt werden könne. „Wir müssen mutig überdenken, was bisher unkritisch akzeptiert wurde“, erklärte Conte und warnte: „Entweder die Europäische Union reformiert sich selbst oder sie ist zu einem langsamen, aber unumkehrbaren Niedergang bestimmt.“

Die Tageszeitung „La Repubblica“ nannte das fünfeinhalb Seiten lange Schreiben einen „leeren Brief“. Denn konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der Staatsverschuldung werden darin nicht genannt. Italienische Medien spekulierten, dass Conte in Brüssel – wo Donnerstag und Freitag die EU-Staats- und Regierungschefs zusammenkommen – Konkreteres vorlegen könnte, um die Kommission zu überzeugen.

Die italienische Staatsverschuldung ist auf 132 Prozent der Wirtschaftsleistung angestiegen. Für 2020 werden sogar 135 Prozent befürchtet. Erlaubt sind in der Eurozone maximal 60 Prozent. Liegt ein Staat darüber, muss er mittelfristig Gegenmaßnahmen ergreifen.

Mehr: Italien gefährdet mit seiner Reformverweigerung die Existenz der Währungsunion. Warum ein Strafverfahren aber trotzdem kontraproduktiv wäre, kommentiert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

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