Streit um US-Zuwanderung Donald Trump hat ein Mauerproblem

Im Wahlkampf war der Bau einer Grenzmauer zu Mexiko Trumps wichtigstes Versprechen. Nun kommt der US-Präsident mit seinem Vorhaben keinen Schritt vorwärts. Auch wichtige Republikaner sperren sich dagegen.

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Bis zu 22 Milliarden Dollar soll der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko kosten. Quelle: AP

Washington Am heutigen Donnerstag läuft in den USA eine wichtige Frist aus, die sich der Kongress vor dreieinhalb Wochen im Zuge des „Government-Shutdowns“ gegeben hatte: Die Demokraten hatten im Januar ihre befristete Zustimmung zu weiteren Haushaltsmitteln an die Bedingung geknüpft, in der Einwanderungsfrage eine Lösung zu finden. Zuvor hatte Donald Trump das Programm für illegale Einwandererkinder, sogenannte Dreamer, aufgekündigt. Wahrscheinlich geht die Regierungsarbeit weiter, doch der Streit rückt ein zentrales Wahlkampfthema Trumps wieder in den Fokus: den Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze.

Außerhalb von San Diego steht sie bereits, die Grenzmauer, die US-Präsident Donald Trump seinen Wählern versprochen hat. Illegale Einwanderer dürfte sie allerdings nicht aufhalten. Lediglich acht winzige Abschnitte hat die amerikanische Regierung in der Einöde errichtet, jeweils nur wenige Meter breit. Zwischen ihnen klaffen große Lücken.

Die lückenhaften Mauerabschnitte sind Prototypen. Mit ihrer Hilfe will die Regierung ein Design für die Mauer auswählen, die sich laut Trump bald Tausende Kilometer durchs Land schlängeln soll. Doch dass es dazu wirklich bald kommt, glauben nur noch die eingefleischtesten Anhänger des Staatsoberhaupts.

Die Mauer war der größte Wahlkampfschlager des Präsidenten. Wenn er sie bei seinen Auftritten erwähnte, jubelte ihm das Publikum frenetisch zu. Mexiko werde für das riesige Bauprojekt bezahlen, versprach Trump der Menge, und schon an seinem ersten Tag im Amt würden die Baumaßnahmen beginnen.

Mittlerweile liegt Trumps Vereidigung zum Staatsoberhaupt mehr als ein Jahr zurück – und abgesehen von den kleinen Versuchsmäuerchen in Kalifornien ist er bei der Umsetzung seines zentralen Versprechens noch keinen Schritt weitergekommen. Die Mauer ist unbeliebt. Sie blockiert die Lösungen wichtiger Fragen in Washington. Und dass Mexiko die enormen Kosten von mehr als 22 Milliarden Dollar übernehmen würde, die der Grenzwall laut Berechnungen des Heimatschutzministeriums kosten dürfte, davon ist schon lange nicht mehr die Rede.

Widerstand auf allen Seiten

Der Widerstand kommt von allen Seiten. Die oppositionellen Demokraten halten überhaupt nichts von einer Grenzmauer. Und sie denken auch nicht daran, dem Präsidenten in dieser Frage entgegenzukommen. Aber Trump muss sich auch mit Gegnern aus den eigenen Reihen herumschlagen. Viele gemäßigte Republikaner sehen in Trumps Plänen vor allem ein enorm unpraktisches Milliardengrab. Anders als in der Steuerpolitik kann sich der Präsident in dieser Frage nicht auf seine Partei verlassen.

Zuletzt ließ der republikanische Senator John McCain Trump spüren, was er von der Mauer hält. McCain ist schwer an Krebs erkrankt. In Washington ist er seit Wochen nicht mehr gewesen. Trotzdem brachte er vor wenigen Tagen gemeinsam mit dem Demokraten Christopher Coons einen Gesetzesentwurf ein, der Trump reizen musste.

Vordergründig sollte das McCain-Coons-Papier eine Lösung im festgefahrenen Streit um eine Einwanderungsreform anbieten. Für den republikanischen Senator wäre es ein später Triumph. Bereits unter den Präsidenten George W. Bush und Barack Obama hatte er an weitreichenden Einwanderungsreformen gearbeitet, die jedoch beide scheiterten. Der aktuelle Anlauf könnte sein letzter sein. Trotzdem konnte McCain es sich nicht verkneifen, den Präsidenten in der Mauerfrage zu provozieren.

Gemeinsam mit Coons schlug er einen Kompromiss vor, der illegalen Einwanderern, die als Kinder in die USA gebracht wurden, einen rechtlich sicheren Status böte. Als Gegenleistung sollten zusätzliche Grenzschutzmaßnahmen bewilligt werden. Solche oder ähnliche Deals kursieren in Washington seit Wochen.

Eines findet sich jedoch ausdrücklich nicht im Entwurf von McCain und Coons: Trumps Mauer. Dabei hatte der Präsident erst in der vergangenen Woche in seiner Rede zur Lage der Nation bekräftigt, dass ein Kompromiss in der Einwanderungspolitik ohne seinen Grenzwall für ihn nicht in Frage komme. Den Gesetzesentwurf der Senatoren wies er dann auch umgehend als „Zeitverschwendung“ zurück.

Überraschen dürfte diese Reaktion McCain nicht. Schließlich hatte Trump bereits mehrfach überparteiliche Einigungsversuche torpediert, weil sie ihm in der Mauerfrage nicht weit genug gingen. Selbst als ihm der demokratische Oppositionsführer im Senat, Chuck Schumer, im Januar einen niedrigen Milliardenbetrag für die Mauer als Teil einer Lösung im Einwanderungsstreit anbot, sträubte sich der Präsident. Zu wenig, urteilte er. Schumer hat sein Angebot mittlerweile zurückgezogen.

Trumps Mauer verhindert eine Lösung in der US-Einwanderungspolitik

In der Einwanderungspolitik versperrt Trumps Mauer damit den Weg zu einer Lösung. Diese Blockade könnte sich auf weitere Felder ausweiten, wie die kurze Stilllegung der Regierung vor rund drei Wochen zeigte. Trotzdem sind bislang sämtliche Versuche gescheitert, den Grenzstreit aus dem Weg zu räumen – selbst dann, wenn sie aus Trumps direktem Umfeld kamen.

So behauptete John Kelly, Stabschef im Weißen Haus, Trumps Sichtweise auf die Mauer habe sich „entwickelt“. Im Wahlkampf sage man nun einmal Dinge, die man nicht ganz überblicke. Auch sei ein physischer Wall die gesamte Südgrenze der USA entlang aufgrund des Terrains überhaupt nicht nötig. „Wahlkampf und Regieren sind unterschiedliche Dinge“, so Kelly.

Trump widersprach umgehend. „Die Mauer ist die Mauer. Daran hat sich vom ersten Tag an nicht geändert oder entwickelt“, twitterte er. Kelly, selbst ein Hardliner in Einwanderungsfragen, stand blamiert da.

Doch diese starre Haltung wird für den Präsidenten zunehmend zum Problem. Denn die Mauer ist kein politisches Gewinnerthema – zumindest nicht mit Blick auf die gesamte amerikanische Bevölkerung. Lediglich 38 Prozent wollen sie tatsächlich gebaut sehen, so eine aktuelle Umfrage. Trumps Problem: Unter Republikanern sind es mehr als 70 Prozent.

Vor allem die populistische Basis des Präsidenten will von Kompromissen in der Mauerfrage nichts wissen. Regelmäßig informiert etwa die einflussreiche, stramm rechte Aktivistin Ann Coulter ihre Twitter-Follower über den Fortschritt des Grenzmauer-Baus: „Gestern fertiggestellte Meilen: null. Seit Amtseinführung fertiggestellte Meilen: null.“ Der Druck auf Trump aus dieser Ecke lässt nicht nach.

Damit steckt der Präsident in einem Dilemma: Gibt er im Mauerstreit nach, stößt er ausgerechnet in einem Wahljahr seine treusten Anhänger vor den Kopf und könnte so die Aussichten der Republikaner in den Zwischenwahlen weiter schmälern. Tut er es nicht, droht seine gesamte Agenda für die kommenden Monate im Kongress stecken zu bleiben. Um im Bild zu bleiben: Trump hat sich eingemauert.

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