Jetzt weigert er sich, seine Unternehmen im Donbass der Herrschaft der Separatisten zu unterstellen, weshalb diese wiederum mit Zwangsverstaatlichung drohen. Beobachter sind sich sicher, dass der nun in Kiew residierende Krösus Schutzgelder an die „DNR“ entrichtet – „anders lässt sich nicht erklären, wieso die Rebellen seine Immobilien und Unternehmen nicht anrühren“, sagt einer, der ihn kennt.
Tatsächlich ist die unsichtbare Hand von Achmetow überall zu spüren. In der Straße des Friedens drängen sich Menschen vor einem schlichten Bürobau. Der Oligarch gibt hier wie auch im Fanshop seines Fußballclubs Schachtjor Hilfsgüter aus. Zweimal im Monat erhalten die gänzlich Mittellosen ihre Rationen in Plastiktüten – Milch, Mehl, Mais, alles, was sich halbwegs hält. „Brot müssen sie selber backen“, sagt Valentina, eine Frau von Anfang 40, die in der orangenen Jacke des Fußballvereins Lebensmittel verteilt. Die arbeitslose Buchhalterin hofft, dass die Leute bald ihre Renten wieder bekommen und sich alles selbst kaufen können. „Wir glauben an unsere neue Regierung, alles wird gut.“ Aber erst müsse der Krieg aufhören.
Bürger leben jeden Tag in Todesangst
An diesem Vormittag geht er erst mal wieder los. Gar nicht weit weg schießt jemand Granaten Richtung Flughafen, die dumpfen Schläge sind selbst im Gebäude zu hören, wo Achmetow Lebensmittel verteilen lässt. Niemand zuckt mehr zusammen, an den Sound des Krieges haben sie sich gewöhnt. Als die Kämpfe begannen, saß Valentina mit ihrer Familie auf gepackten Koffern. „Aber dann haben wir uns gefragt, wohin wir flüchten sollen. Wir sind doch hier zu Hause!“ Ihre Schwester lebe in Poltawa im friedlichen Nordosten der Ukraine. „Die halten uns dort für ihre Feinde, obwohl wir jeden Tag in Todesangst leben“, klagt sie.
Nur einmal schweigen die Granaten in diesen Tagen. Es ist jener Sonntag, an dem gewählt wird. Neben dem Lenin-Denkmal haben sie eine Bühne aufgebaut, davor vielleicht 300 Menschen, die eifrig mit Papierfähnchen in den „DNR“-Farben wedeln. Eine Volkstanz-Gruppe aus Kasachstan hat ihren Auftritt, anschließend tanzen die Besucher bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zu russischen Folkloreliedern. Für einen Moment ist der Krieg vergessen, eine abtrünnige Provinz feiert sich selbst – so als wäre der Niedergang weit weg. Auf dem Banner über der Bühne steht in breiten Lettern: „Die Zukunft beginnt heute.“
Janukowitsch war zumindest „ihr“ Präsident
Für die Ukraine, diese These sei gewagt, ist der Donbass verloren. Das ist zum Teil Folge der Bombardierung – durch „ukrainische Truppen“, wie die Bevölkerung überzeugt ist. Die mögen zwar selten sein und häufig den Beschuss der Separatisten aus ihren Stellungen in Wohngebieten beantworten. Aber so weit differenzieren die Menschen nicht, zumal die Deutungshoheit über den Krieg bei antiukrainischen russischen Staatssendern liegt. Aber selbst ohne Krieg und Propaganda wird die Regierung in Kiew als Regierung „der anderen“ wahrgenommen, die „ihren“ Präsidenten seinerzeit gestürzt und ins Exil getrieben hat. Die prowestlichen Politiker aus Kiew haben von Beginn an wenig unternommen, um den Landsleuten im Osten ihren West- und Reformkurs gründlich zu erklären. Der geschasste Präsident Viktor Janukowitsch war zwar auch für die Donezker ein korrupter Gauner, aber er war eben ihr Gauner.