Unabhängigkeit Getrennt können Katalonien und Spanien nur verlieren

Am 1. Oktober will die katalanische Regierung trotz Widerstände ein Referendum über die Unabhängigkeit von Spanien abhalten, aber was sie dem Volk vorenthält: Ein Überleben außerhalb der EU ist wirtschaftlich unmöglich.

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Tausende Katalanen demonstrieren mit dem Schriftzug den Straßen von Barcelona für die Loslösung ihrer Region von Spanien. Quelle: dpa

Carles Puigdemont hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Seit fünf Jahren wird das katalanische Volk psychologisch auf eine Unabhängigkeit von Spanien vorbereitet, ohne zu sagen, dass damit auch der Austritt aus der EU verbunden ist und Katalonien damit wirtschaftlich nochmal von vorne anfangen kann. Seit zwei Jahren will die katalanische Regierung unter der Führung von Puigdemont, ein Unabhängigkeits-Referendum abhalten, um dieses illegale Vorhaben dennoch zu legitimieren. Er verteidigt sein Vorgehen mit dem Recht auf Selbstbestimmung der Völker, festgehalten in der UN Menschenrechts-Charta.

Die spanische Regierung hat vor dem 11. September, der Diada, dem „Nationalfeiertag“ der Katalanen, jegliche Aktivitäten in dieser Richtung und auch die parlamentarische Abstimmung vom 7. September vor dem Obersten Gericht angefochten. Eine Beteiligung an der Vorbereitung und Durchführung zum Referendum, das für den 1.Oktober geplant ist, wird damit ab sofort unter Strafe gesetzt. Gegen Puigdemont und andere Führungskräfte der katalanischen Regierung wurden bereits juristische Verfahren eingeleitet.

Wirtschaftlich gesehen wäre die Abtrennung für die Katalanen eine Katastrophe

Aber abgesehen von den Machtkämpfen zwischen Madrid und Barcelona, die sich am 1. Oktober, wenn das Referendum stattfinden soll, gefährlich zuspitzen könnten, macht der ganze „Prozess“, wie die Katalanen die Absonderungsanstrebungen von Spanien beschreiben, wirtschaftlich keinen Sinn und wird deswegen von einem Teil der spanischen politischen Elite irrtümlicher Weise auch gar nicht ernst genommen.

Wirtschaftliche gesehen könnte Spanien ohne Katalonien auskommen, wenn auch schwierig, da es mit Madrid die reichste Region des Landes ist und der industrielle Arm Spaniens, zusammen mit dem Baskenland. „Aber Katalonien kann nicht ohne Spanien überleben,“ sagt Georg Abegg, spanischer Partner der Kanzlei Rödl & Partner mit Sitz in Madrid und Barcelona. Für ihn ist klar, dass eine „katalanische Republik“ wie es angestrebt ist und von den katalanischen regierenden Politikern auch schon in den Sprachgebrauch übernommen wurde, nicht Teil der EU sein würde. Die EU ist aber der wichtigste Handelspartner Kataloniens. Der EU-Parlaments-Präsident Antonio Tajani hat jüngst wieder bestätigt, das mit der von Spanien nicht genehmigten Absonderung Kataloniens sofort der Austritt aus der EU einhergeht. Das heißt das neugeborene kleine Land an der Grenze zu Frankreich würde nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich isoliert. Ganz abgesehen von dem Abwanderungseffekt, den eine Abtrennung von Spanien bei den rund 600 000 dort ansässigen Firmen und Institutionen produzieren würde.

Eine Abstimmung ohne Information über die politischen Folgen

Eine Separation von Spanien wäre somit für die 7,5 Mio. Einwohner große Nation ein wirtschaftliches Abenteuer: „Darüber wurden die Katalanen von ihren regierenden Politikern aber gar nicht aufgeklärt und die Abstimmung ist damit ähnlich absurd wie die beim Brexit. Selbst, wenn das Referendum legal wäre, kann man nicht einfach nur diese Frage stellen, ob eine Abtrennung von Spanien gewollt ist oder nicht,“ sagt Abegg. Der deutsche Anwalt steht nicht allein da mit der Auffassung, dass klar gesagt werden sollte, zu welchen Bedingungen die Unabhängigkeit stattfindet: „Ich bin gar nicht dagegen, dass man eine Referendum abhält, nur soll man die Leute vor eine klare Wahl stellen, sonst droht Katalonien das gleiche Chaos wie Großbritannien.“ Die Konsequenzen einer Abtrennung von Spanien ohne EU –Mitgliedschaft wären diese: eine neue Währung wird notwendig, ein eigener Pass, Zollabwicklung mit EU-Partnern und ein völlig neuer Staatsaufbau. Der Handel mit dem wichtigsten wirtschaftlichen Partner Spanien würde teuer werden.

Für die Madrilenin, dreifache Mutter und FC Barcelona-Anhängerin Marisa Domínguez hätte man das Referendum 2012, als es erstmals angestrebt wurde, einfach zulassen sollen: „Damals hatte diese anti-spanische Bewegung nicht so viele Anhänger, es wäre keine Mehrheit gefunden worden und das Thema hätte sich erledigt.“ Jetzt hat die Zahl der Befürworter jedoch deutlich zugenommen und der Ausgang ist nicht mehr sicher.

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