Ungarn lässt über Flüchtlinge abstimmen Hart, härter, Orbán

Ungarns rechtspopulistischer Premier Viktor Orbán lässt im Oktober darüber abstimmen, ob sein Land weitere Flüchtlinge aufnehmen soll. Doch die Antwort steht schon vor der Volksabstimmung fest.

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Politisch kommt dem ungarischen Premier der wieder gestiegene Migrantenstrom über den Balkan ganz gelegen. Quelle: Reuters

Wien Die Nerven der Autofahrer an der ungarisch-österreichischen Grenze liegen blank. Denn am Dienstag gab es bei brütender Hitze wieder kilometerlange Staus und stundenlanges Warten. Der österreichische Automobilclub Arbö sprach von einem „Verkehrschaos“ mit Staus von 30 Kilometer Länge.

Denn zwischen dem österreichischen Nickelsdorf, unweit des Neusiedler Sees und dem ungarischen Hegyeshalom wird wieder seit dem Wochenende die EU-Grenze scharf kontrolliert. Die genauen Kontrollen haben einen Grund: Zuletzt ist die Zahl der illegalen Flüchtlinge wieder gestiegen.

Politisch kommt dem ungarischen Premier Viktor Orbán der wieder gestiegene Migrantenstrom über den Balkan ganz gelegen. Denn am 2. Oktober will der Chef der rechtspopulistischen Fidesz-Partei in einem Referendum über die in Brüssel beschlossene Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU abstimmen lassen. Damit macht Orbán seine Drohung wahr, eine getroffene EU-Entscheidung per Plebiszit in Frage zu stellen.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten im September 2015 einen Verteilungsplan für 160.000 Migranten beschlossen. Dagegen sträuben sich die osteuropäischen Regierungen, darunter Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn. Orbán klagt vor dem Europäischen Gerichtshof gegen feste Flüchtlingsquoten. Dabei soll das knapp zehn Millionen Einwohner große EU-Land nur rund 2.300 Flüchtlinge aufnehmen.

In der Volksabstimmung am 2. Oktober sollen die Bürger über die Frage entscheiden, ob sie „wollen, dass die Europäische Union ohne Zustimmung des ungarischen Parlaments die verpflichtende Ansiedlung von nicht-ungarischen Bürgern in Ungarn anordnet“. „Das Ergebnis steht bei dieser Fragestellung schon heute fest“, sagt ein österreichischer Wirtschaftsvertreter, der Orbán seit Jahren kennt.

Auch Bundeskanzler Angela Merkel rügte die Fragestellung. Sie sagte am Dienstag in Berlin: „Die Fragestellung ist ja dort so (...) gemacht, dass es eine Antwort auf die jetzt schon herrschende Regierungspolitik geben wird“. Orbán und Merkel haben seit langem ein kritisches Verhältnis.


„Wir können eine eindeutige Botschaft nach Brüssel schicken“

Für Orbán ist die Volksabstimmung vor allem aus innenpolitischen Gründen wichtig. Denn mit einem klaren Votum der Wähler für seine Anti-Flüchtlingspolitik hält er die rechtsextremistische Partei Jobbik in Schach. Sie ist die zweitstärkste politische Kraft in Ungarn. „Nicht Brüssel, sondern nur die Ungarn können bestimmen, mit wem sie zusammenleben wollen“, sagte Minister Antal Rogán, ein enger Vertrauter Orbáns, am Dienstag in Budapest. „Wir können eine eindeutige Botschaft nach Brüssel schicken.“

Mit seiner Haltung gegen die EU-Quote kann Orbán mit der Sympathie des Nachbarlandes Slowakei rechnen. Der dortige sozialdemokratische Regierungschef Robert Fico hatte sich wiederholt gegen den EU-Verteilungsschlüssel gewandt. Die Slowakei klagt ebenfalls vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gegen den EU-Beschluss.

Ungarn verschärft unterdessen seinen Abschreckungskurs für Migranten. Das EU-Mitgliedsland will Migranten, die über die Nachbarländer Kroatien und Serbien einreisen und sich acht Kilometer hinter der Grenze befinden, ohne Verfahren wieder zurück bringen. Ihnen wird nach Regierungsangaben der Weg zu sogenannten Transitzentren gezeigt, wo die Migranten Asylanträge stellen können. Einen entsprechenden Beschluss hat das Budapester Parlament gefasst. Dort besitzt Orbán beinahe eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Nach Angaben von György Bakondi, Sicherheitsberater von Orbán, reisten bis Ende Juni dieses Jahres 17.300 Flüchtlinge nach Ungarn ein. Im vergangenen Jahr durchquerten noch 391.000 Migranten das Land.

Wie der Sicherheitsberater am Dienstag in Budapest mitteilte, befinden sich derzeit 330 Flüchtlinge in Haft. Nur 13 seien in diesem Jahr an der kroatischen Grenze aufgegriffen worden. Das sei vernachlässigbar im Vergleich zu den Erfahrungen an der Grenze zu Serbien, sagte Bakondi. Serbien ist wie sein östliches Nachbarland Mazedonien Teil der Balkan-Flüchtlingsroute.

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