




Die Hillary-Clinton-Fans sind auf dem Heimweg von Philadelphia nach New York. Sie haben ein rauschendes Fest gefeiert. 32.000 Menschen säumten den Platz vor der Independence Hall am Montagabend und jubelten der demokratischen Präsidentschaftskandidatin zu.
Im Zug nach Hause wird um Punkt Mitternacht eine Sektflasche geköpft. „Wahl-Tag! Noch 24 Stunden, dann ist Hillary unsere neue Präsidentin“, ruft eine brünette Mittzwanzigerin im „Frauen-for-Hillary“-Pullover.
Die Clinton-Unterstützer, die Kandidaten und ihr Team selbst, die Medien und Demoskopen: Sie alle waren sich sicher, dass die Demokraten die Präsidentschaftswahlen gewinnen. Die New York Times bezifferte Clintons Siegchancen am Morgen des Wahltages auf 85 Prozent.
Doch wie schon beim Brexit-Votum wichen Prognosen und Wahlverhalten dramatisch voneinander ab. Am Wahlabend füllte sich die US-Landkarte nach und nach rot – die Farbe der Republikaner. Trump holte die umkämpften Bundesstaaten Florida, North Carolina und Ohio. Spätestens da brach unter den Clinton-Wählern Panik aus. Als Trump dann auch noch in Michigan und Wisconsin früh die Führung übernahm, war er nicht mehr aufzuhalten. Inzwischen haben wir Gewissheit: Donald Trump wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten.
Seine Wahl ist ein Schock. Die bekannten Muster vom Brexit-Votum wiederholen sich: Die heimische Währung gab über zwei Prozent im Vergleich zum Euro nach, die Aktienmärkte stürzten ab. Der Leitindex droht zum Handelsbeginn so stark runter zu rauschen wie zuletzt am 11. September 2001. Auf der Wahlparty von Hillary Clinton brachen Anhänger in Tränen aus. Viele blickten versteinert auf die TV-Bildschirme.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Wie beim britischen EU-Referendum machten erneut die Globalisierungsverlierer, die Enttäuschten und Verbitterten den Unterschied. Donald Trump spricht diese Wähler seit Anbeginn seiner Kampagne an: er bricht mit den Traditionen seiner eigenen Partei, wettert gegen den Freihandel. Will, dass Firmen primär Jobs in den USA schaffen. Wer abwandert, muss mit Strafzöllen rechnen. Das kommt in den ehemaligen Industriehochburgen von Michigan und Pennsylvania gut an. Beide Staaten, ursprünglich demokratisches Kernland, stimmten mehrheitlich für Donald Trump. So auch Ohio und gar Wisconsin, ein Staat, mit dem die Demokraten – neben Michigan – fest gerechnet hatten.
Doch Tradition hat für die Verzweifelten und Wütenden keinen Wert mehr. Vor allem nicht, wenn die demokratische Kandidatin Hillary Clinton heißt. Eine Frau, die zwar ihre Herkunft aus armen Verhältnissen betont, aber inzwischen längst den Kontakt zur Basis verloren hat. Die ehemalige First Lady und Außenministerin spricht heute lieber – hoch bezahlt – vor Bankern, denn vor Arbeitern mit ölverschmierten Fingern. Im Wahlkampf setzt sie auf akademische Themen: „equal pay“ und Klimaschutz.
Es tauchen Redemanuskripte auf, die zeigen, dass Clinton zwei politische Positionen hat: eine, für die sie tatsächlich steht – und eine zweite, die sie der Öffentlichkeit auftischt. Die E-Mail-Affäre tut ihr Übriges. Noch am Wahltag sagen 53 Prozent der US-Amerikaner in Wahlnachbefragungen, eine Präsidentschaft Clinton sei „besorgniserregend“ oder gar „erschreckend“.





Dann – so die Mehrheit der US-Wähler – doch lieber Trump. Im Januar 2017 wird er ins Weiße Haus einziehen. Und dann? Biografen wie David Johnston haben im Vorfeld eindringlich gewarnt. „Trump hört nicht auf Berater, er lässt sich politische Zusammenhänge nicht erklären, er bildet sich nicht fort“, so der Journalist und Buchautor.
Trump vertraue auf sein Bauchgefühl, gäbe nichts auf Traditionen und Bündnisse. Johnston schlussfolgert im WirtschaftsWoche-Interview: „Amerika wird einen Trump-Sieg überleben. Aber es hätte gewaltige negative wirtschaftliche und außenpolitische Konsequenzen; es würde globale Krisen kreieren und uns weit zurückwerfen.“