USA Mitt Romney setzt auf seine Glaubensbrüder

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Das mormonische Weltbild

Ein Zentrum für Mormonen in Salt Lake City Quelle: AP

Die Teilnahme am Gottesdienst jeden Sonntag von neun bis zwölf Uhr ist Pflicht für alle Mormonen, genau wie die Mitarbeit in der Gemeinde. Allsonntäglich singen und beten in der ersten Stunde Kinder, Frauen und Männer getrennt, dann folgt der gemeinsame Gottesdienst, bis zum Mittag geht es weiter mit Gruppentreffen.

Als Gemeindebischof besucht Strong regelmäßig seine Familien, sammelt Spenden ein, entscheidet über die Verwendung des Geldes, organisiert Kinderfreizeiten und Gottesdienste. 20 bis 30 Stunden braucht er jede Woche dafür. Das Leben müsse auf lokaler Ebene funktionieren, und dafür sei nicht der Staat zuständig, sagt der Mormone: „Wie wir leben, wir uns ausbilden oder krankenversorgen – darum müssen wir uns selbst kümmern. Wenn sich da der Staat einmischt, dann wird das nichts, weil eine Regierung nicht weiß, was die Gemeinden benötigen.“

Nichts umsonst

Nach entsprechendem Prinzip funktioniert das Wohlfahrtssystem der Mormonen. „Erst kommt die Familie, dann die Gemeinde, dann erst die Hilfe der Kirche“, sagt Kirchendirektor Richard Hinckley. Stolz führen er und seine Frau Jane durch das Bischofs-Warenlager am Welfare Square in Salt Lake City. Hier speichern die Mormonen Getreide, betreiben eine eigene Bäckerei und verteilen Lebensmittel aus eigener Produktion oder auch Second-Hand-Kleidung an Bedürftige. Die mormonischen Bischöfe können selbstständig darüber entscheiden, wer in ihrer Gemeinde bedürftig ist und wer welche Unterstützung erhält. „Keiner, der hier herkommt, wird abgewiesen“, sagt der 71-jährige Hinckley. „Einen Wohlfahrtsstaat wie in Europa brauchen wir nicht“, sagt er, als wäre er der oberste Romney-Wahlkämpfer.

Bei welchen Themen US-Präsident Barack Obama oder sein Herausforderer Mitt Romney in der Gunst der amerikanischen Wähler besser abschneiden Quelle: Pew Research Center

Wer hier Brot braucht, bekommt es auch – für eine Gegenleistung. Das kann einige Stunden Arbeit im Magazin des Warenlagers oder im Garten sein. „Nichts ist umsonst“, bekräftigt Hinckley. „Jeder muss seinen Beitrag leisten.“ Rund 140 solcher Warenlager betreibt die Mormonen-Kirche weltweit. Das kircheneigene Unternehmen Deseret Industries besitzt Zeitungen und Fernsehstationen, eigene Farmen, Weizensilos und eine Bank. Das Vermögen der Kirche, kein Außenseiter weiß das so genau, wird auf stolze 30 Milliarden Dollar geschätzt. Jeder Mormone soll zehn Prozent seines Einkommens an die Kirche spenden. Schuldenmachen ist für Mormonen verboten, außer für den Kauf eines eigenen Wohnhauses oder die Finanzierung eines Studiums.

Selbst verantwortliche Amerikaner

Das erklärt, warum der Mormone und Präsidentschaftskandidat Romney im Wahlkampf poltert, Amerika sei kein Wohlfahrtsstaat wie Europa. Warum er ankündigt, als Präsident werde er sinnlose Sozialausgaben des Staates streichen und die Staatsschulden dramatisch abbauen. Jeder Amerikaner sei selbst verantwortlich für sein Leben, sein Glück und seinen Erfolg: Das ist Romneys Programm.

Entsprechend die Kritik an Barack Obama: Der amtierende Präsident verstehe Amerika nicht und habe darum das Land an den wirtschaftlichen Abgrund gebracht, verkündet Romney. „Obama attackiert Erfolg, und darum hat Amerika mit diesem Präsidenten weniger Erfolg“, sagt Romney im Wahlkampf. Er selber sei stolz darauf, ein erfolgreicher konservativer Geschäftsmann zu sein, er verstehe Wirtschaft aus erster Hand.

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