Der ehemalige US-Präsident Donald Trump will gegen seine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs in Berufung gehen. Das kündigte er nach einem verlorenen Zivilprozess gestern Abend (Ortszeit) per Videobotschaft an. „Die ganze Sache ist ein Betrug und (...) eine Schande für unser ganzes Land“, wetterte der Republikaner, der 2024 wieder ins Weiße Haus einziehen will.
Eine New Yorker Geschworenenjury hatte ihn dazu verurteilt, wegen des von einer US-Autorin angezeigten Sexualdelikts eine Entschädigung in Millionenhöhe zu zahlen. Für Trump, der im kommenden Jahr als Kandidat der Republikaner in die Präsidentenwahl ziehen will, ist das Urteil eine weitere juristische Schlappe. Auch einige Parteikollegen äußerten sich nach der mit Spannung erwarteten Entscheidung kritisch mit Blick auf die Bewerbung des 76-Jährigen für das höchste Staatsamt.
Fünf Millionen US-Dollar Entschädigung
Die Autorin E. Jean Carroll hatte Trump vorgeworfen, er habe sie Mitte der 1990er Jahre in einem New Yorker Nobelkaufhaus vergewaltigt. Der damals noch nicht als Politiker tätige Immobilienunternehmer wies die Anschuldigung stets zurück. Strafrechtlich sind die Vorwürfe verjährt, zivilrechtlich stand der heute 79-jährigen Carroll der Rechtsweg jedoch offen. Die Jury wertete den Vorfall nun unter anderem als sexuellen Missbrauch – den Vorwurf der Vergewaltigung wies sie zurück. Insgesamt muss Trump fünf Millionen US-Dollar (rund 4,56 Millionen Euro) an Entschädigung und Strafe zahlen.
Die drei Schweigegeldfälle in der Trump-Anklage
Dino S. behauptete der am Dienstag verlesenen Auflistung des Bezirksstaatsanwalts in Manhattan, Alvin Bragg, zufolge, Informationen über ein aus einer außerehelichen Affäre stammendes Kind von Trump zu haben. Demnach soll er mit 30.000 Dollar dazu bewegt worden sein, die Geschichte für sich zu behalten.
Gezahlt haben soll das Geld die Muttergesellschaft der Illustrierten „National Enquirer“, American Media, um sich damit die Rechte an dem Gerücht, Trump habe mit einer Angestellten im Trump Tower ein Kind gezeugt, zu sichern. Der Trump Tower ist ein Hochhaus im Besitz des Angeklagten in der Nähe des Hauptquartiers der Vereinten Nationen in New York.
Der Vertrag mit S. soll eine Strafe von einer Million Dollar für den Fall vorgesehen haben, dass dieser die Geschichte verbreitet. Die Frau, um die es geht, hatte in einem Interview der Nachrichtenagentur AP im Jahr 2017 bestritten, eine Affäre mit Trump gehabt zu haben.
Bragg berief sich auch auf den Fall des früheren Playboy-Models, das 150.000 Dollar von American Media erhalten haben soll. McDougal hatte behauptet, Mitte der 2000er Jahre über zehn Monate eine Affäre mit Trump gehabt zu haben. Das Geld diente dem Zweck, sich die Rechte an der Geschichte zu sichern, sie jedoch nie zu bringen – eine dubiose journalistische Praxis, die als „catch-and-kill“ bezeichnet wird, was etwa mit „einfangen und töten“ übersetzt werden kann. American Media hat explizit anerkannt, dass die Zahlung geleistet worden sei, um Trumps Präsidentschaftswahlkampf zu unterstützen.
Bragg sagte, Trump habe seinen damaligen Anwalt Michael Cohen, der zu dem Zeitpunkt für die Trump Organization arbeitete, „explizit“ angewiesen, American Media mit Bargeld zu entschädigen. Dann soll Cohen Trump gegenüber angedeutet haben, dass es besser wäre, die Zahlung über eine Strohfirma abzuwickeln. Die angebliche Beziehung zwischen McDougal und Trump blieb unter Verschluss, bis wenige Tage vor dem Wahltag 2016 das „Wall Street Journal“ darüber berichtete. Trump hat die Affäre bestritten.
Der dritte und wohl bekannteste Fall betrifft die Pornodarstellerin Stormy Daniels, bürgerlicher Name Stephanie Clifford. Ihr wurden 130.000 Dollar gezahlt, um ihr Schweigen über eine sexuelle Begegnung mit Trump in Lake Tahoe, Nevada, im Jahr 2006 zu erkaufen. Auch in diesem Fall hat Trump abgestritten, dass es die Verbindung überhaupt gab.
Bragg hat erklärt, Cohen habe dem Anwalt von Clifford zwölf Tage vor der Wahl am 8. November 2016 das Geld überwiesen. Dafür habe er eine mittels eines Bankhauses in Manhattan gegründete Strohfirma genutzt. Geschehen sei dies, nachdem Clifford angedeutet hatte, dass sie bereit sei, entweder mit dem „National Enquirer“ oder dem Fernsehen über die Begegnung zu sprechen.
Gegenüber Reportern insistierte Trump im April 2018 im Regierungsflieger Air Force One, er wisse nichts von der Zahlung. Bragg sagte dagegen am Dienstag, Trump habe Cohen nach seinem Wahlsieg 2016 mit Geld aus zwei Quellen entschädigt: einem Treuhandfonds, der Vermögenswerte der Trump Organization verwaltete – und mittels seines eigenen Bankkontos.
„Ich habe diese Klage gegen Donald Trump eingereicht, um meinen Namen reinzuwaschen und mein Leben zurückzubekommen“, zitierten US-Medien aus einer Stellungnahme Carrolls. „Heute kennt die Welt endlich die Wahrheit. Dieser Sieg ist nicht nur für mich, sondern für jede Frau, die gelitten hat, weil ihr nicht geglaubt wurde.“
Trump empörte sich nach der Urteilsverkündung in üblicher Manier über die Entscheidung und sprach in einem Video auf seinem Twitter-Ersatz Truth Social von einer politisch motivierten „Hexenjagd“. Die liberale Ostküstenmetropole New York sei „wahrscheinlich der schlechteste Ort in den USA“, um einen fairen Prozess zu bekommen.
Nicht das einzige Verfahren gegen Trump
Anfang April war Trump als erster ehemaliger US-Präsident in einem anderen Verfahren strafrechtlich angeklagt worden. Gegen ihn wird wegen einer Reihe möglicher Verbrechen ermittelt. Zuletzt waren seine Umfragewerte in parteiinternen Befragungen gestiegen – Trump liegt darin deutlich vor anderen möglichen republikanischen Bewerbern, die 2024 US-Präsident Joe Biden herausfordern wollen. Trotz aller Vorwürfe gegen Trump stehen die Republikaner immer noch weitgehend geschlossen hinter ihm.
Dennoch waren nach der Urteilsverkündung auch kritische Töne zu hören. „Die Republikaner sollten dies nicht abtun und sagen, dass dies nicht von Bedeutung ist“, sagte der Ex-Gouverneur des Bundesstaates Arkansas, Asa Hutchinson. Er bewirbt sich ebenfalls um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner.
Der republikanische Senator Kevin Cramer sagte, das Urteil sei nicht „disqualifizierend“, habe aber Auswirkungen auf Trumps Wählbarkeit. „Das und einige andere Dinge lassen mich daran zweifeln, ob er der beste Kandidat für die Partei wäre“, zitierte ihn der Sender CNN. Der Trump-Verbündete Kevin McCarthy als Vorsitzender des Repräsentantenhauses wollte das Urteil am Nachmittag auf Nachfrage nicht kommentieren.
Diverse Frauen haben Trump in der Vergangenheit sexuelle Belästigung vorgeworfen, was dieser stets zurückwies. Während seines Präsidentschaftswahlkampfes 2016 wurde eine alte Tonaufnahme publik, in der sich Trump anzüglich und herabwürdigend über Frauen äußerte – und darüber, dass man Frauen auch an ihren Genitalien anfassen könne, wenn man es wolle und ein Star sei wie er.
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