Das erste Millionenziel gab die Bundesregierung 2010 aus. Bis 2020 sollten eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren. Schon lange ist klar: Daraus wird nichts. Heute sind es etwa 220.000.
Man könnte meinen, eine solche Erfahrung mache vorsichtig. Doch seit wenigen Wochen posaunt die Bundesregierung gleich das nächste Millionenziel heraus. Bis 2030 soll es eine Million öffentliche E-Ladepunkte geben. Heute sind es etwa 21.100.
Beim Autogipfel an diesem Montagabend im Kanzleramt soll deshalb der „Masterplan Ladeinfrastruktur“ vorgestellt werden – eine Art Bedienungsanleitung für das deutsche Ladesäulenwunder. Neben Angela Merkel nehmen die Chefs der großen Autokonzerne VW, Daimler und BMW sowie die Spitzen der Koalition und die Ministerpräsidenten der wichtigsten Autoländer teil.
Auf den 14 Seiten des „Masterplans“ finden sich viele weitere Ziele und Zwischenziele. Die Politik, so liest es sich, will die Industrie dabei noch stärker an die Hand nehmen. So sollen die Autokonzerne bis 2022 mindestens 15.000 Ladepunkte auf ihren Betriebsgeländen und beim angeschlossenen Handel errichten. Zusätzlich sollen sie prüfen, welche davon auch öffentlich zugänglich gemacht werden können. Dazu seien der Energieverband BDEW und der Verband der Automobilindustrie VDA „aufgefordert, bis März 2020 einen Leitfaden für Mitarbeiter- und Flottenladen zu erarbeiten“.
Man kann gute Gründe finden, die für eine solche Politik der Zielvorgaben sprechen. Klare Ziele erhöhen schließlich den Druck. Problematisch wird es allerdings, wenn vor lauter Zielen in Vergessenheit gerät, was auf dem Weg noch an Detailarbeit zu tun ist.
Beim Aufbau der Ladeinfrastruktur geht es dabei vor allem um die richtigen Rahmenbedingungen. Offene Fragen und Hürden gibt es insbesondere beim Einbau privater Ladeinfrastruktur, die für den Erfolg der Verkehrswende mindestens ebenso entscheidend ist wie die öffentliche. Miet- und Wohneigentumsrecht müssten möglichst schnell angepasst werden, damit demnächst in Tiefgaragen und Anwohnerparkplätzen mehr Ladestationen stehen. Im „Masterplan“ finden sich dazu jedoch lediglich Absichtserklärungen und Ankündigungen für das kommende Jahr.





Auch bei den öffentlichen Ladepunkten verzögern häufig rechtliche Details den Aufbau. So gibt es immer noch Probleme, genau festzustellen, wer wann zu welchem Preis geladen hat. Auch dazu bleibt der „Masterplan“ ziemlich schwammig: „Die Bundesregierung strebt an, Authentifizierung, Bezahlsysteme und Roaming besser im Sinne des Verbrauchers zu regeln.“ Nach Boom klingt das nicht gerade.
Wenig überraschend kritisieren Umweltexperten und Oppositionspolitiker daher den „Masterplan“ als unzureichend. Zu viele Aufforderungen an Länder, Unternehmen und Kommunen. Zu wenig Konkretes. Und glaubt man dem Energieverband BDEW, ist das neue Millionenziel bis 2030 darüber hinaus ziemlich unnötig. 350.000 Ladepunkte seien für die mittlerweile anvisierten zehn Millionen E-Autos „vollkommen ausreichend“.
Das passiert auch nicht alle Tage: Dass eine Lobby findet, die Politik verspreche zu viel. Vielleicht sollte es der Bundesregierung zu denken geben.