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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Olaf Scholz (SPD) Quelle: dpa

Regieren ist was für Profis

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Selten wurde das Land so schlecht gemanagt wie heute. Politik made in Germany steht für Qual statt Qualität. Eine Kabinettsumbildung ist überfällig.

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Die Deutschen müssen ein Volk von Abenteurern sein. Täglich steigen Millionen von ihnen freiwillig in die Bahn ein, die sie oft weiter bringt, als sie es sich jemals erträumt hätten – weil Züge heute nicht mehr halten, wo sie sollten. Kürzlich rauschten gar alle ICEs und ICs ungebremst durch den Bahnhof des Frankfurter Flughafens. Ein Stellwerk-Mitarbeiter war krank geworden. Ersatz gab es keinen. Die Nation nahm es fassungslos zur Kenntnis.

Die Staatsbahn hat ihr Geschäft nicht im Griff – weil der Aufsichtsrat mit dem Vorstand viel zu nett sei, sagt der Bundesrechnungshof. Im Gremium sitzen Vertreter aus gleich drei Bundesministerien.

Der würdelose Leistungsausweis ist also Folge staatlichen Missmanagements. Und das scheint inzwischen zur Routine zu werden. Während sich die Kanzlerin in der öffentlichen Wahrnehmung langsam auflöst, verspielen ihre Kabinettsmitglieder die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier glänzt lieber auf Bühnen als mit einer durchdachten Industriepolitik, die auch den Mittelstand miteinbezieht. In seinem Energieressort lässt er Stellen unbesetzt, und welches Geschäftsmodell hinter seinem oft zitierten „Airbus für künstliche Intelligenz“ stecken soll, weiß keiner.

Finanzminister Olaf Scholz fördert lieber Sozialausgaben als Investitionen und ist gerade mit seinem Drängen auf Deutschlands größte Bankenfusion gescheitert. Er wollte die Commerzbank mit der Deutschen Bank verkuppeln und so aus zwei Lahmen einen Weltklassesprinter machen. Der Versuch war ungefähr so vielversprechend wie eine Reise nach Lourdes. Scholz war es übrigens auch, der in der jüngsten Haushaltsrunde ausgerechnet dem Bildungsressort mit einem Minus von über einer halben Milliarde Euro den größten Kahlschlag verordnete.

Womit wir beim tragischsten Fall der Regierungsmannschaft wären. Bildungs- und Forschungsministerin Anja Karliczek fällt auf, weil sie nicht auffällt. Die Breitseite von Scholz bekam sie offenbar nicht mit. Erst mit einer Verzögerung von Wochen will sie sich jetzt dagegen wehren. Der Rohstoff Bildung hat eine bessere Managerin verdient.

Regieren ist was für Profis. Man kann nur hoffen, dass auf die Klausurtagung der CDU Anfang Juni eine Kabinettsumbildung folgt. Das könnte einen Teil des Problems entschärfen. Wer weiß, wie lange die rekordverdächtige Staatsgläubigkeit der Deutschen noch anhält – und ihre Lust auf Abenteuer.

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