Brandbrief an Justizministerin Lambrecht Mittelstand läuft Sturm gegen neues Unternehmensstrafrecht

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) möchte ein spezielles Verbandssanktionenrecht etablieren, also die Strafbarkeit eines Unternehmens als juristische Person einführen. Quelle: dpa

Die großen Konzerne haben eigene Rechtsabteilungen, aber der Mittelstand ist bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auf externe Anwälte und Berater angewiesen. Carl Martin Welcker, Präsident der Maschinen- und Anlagebauer, fürchtet bei Durchsetzung des neuen Unternehmensstrafrechts Reputationsschäden und hohe Kosten, wie er in einem Brandbrief an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) schreibt.

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Der Name des neuen Gesetzes klingt erst einmal positiv. Unter dem Titel „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ verbirgt sich jedoch etwas anderes. Die zuständige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) möchte ein spezielles Verbandssanktionenrecht etablieren, also die Strafbarkeit eines Unternehmens als juristische Person einführen. Bislang gilt das Legalitätsprinzip, also die gesetzlich gebotene Strafverfolgung, nur für Einzelpersonen. Das neue Gesetzeswerk, über dessen konkrete Umsetzung auch innerhalb der großen Koalition seit Monaten gestritten wird, sieht bei betriebsbezogenen Straftaten künftig bis zehn Prozent des Konzernjahresumsatzes als Verbandsgeldsanktion vor. Die umstrittene Auflösung eines Unternehmens als eine Art Höchststrafe wurde wieder gestrichen.

Carl Martin Welcker, Präsident der Maschinen- und Anlagebauer, spart trotzdem nicht mit Kritik. Er hält die neue Regelung „angesichts der bereits bestehenden Sanktionsmöglichkeiten von Unternehmen für nicht erforderlich“, wie er in seinem Brief an Lambrecht schreibt. Bereits heute könne „eine Geldbuße von bis zu 10 Millionen Euro verhängt und das durch eine Straftat zusätzlich Erlangte abgeschöpft werden“. Eines eigenen Strafgesetzes bedürfe es deshalb nicht. Nicht zuletzt könne die verpflichtende Einleitung eines Strafverfahrens bei Vorliegen eines bloßen Anfangsverdachts „zu großen Reputationsverlusten der Unternehmen führen, wenn sich der Verdacht später als unbegründet herausstellt“, warnt Welcker.

Der VDMA-Chef erinnerte die Justizministerin auch daran, dass das „typische mittelständische Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagebau mit durchschnittlich 180 Mitarbeitern“ in der Regel keine eigene Rechts- und Compliance-Abteilung habe. Der vorsorgliche Aufbau solcher Systeme, die Schulung der Mitarbeiter und der Einsatz eigenen Personals bei der Durchführung interner Untersuchungen stelle eine immense zusätzliche Belastung der Branche dar, die schon durch die Coronapandemie hart getroffen sei.

Ob die Intervention Erfolg hat, ist offen. Die SPD will diese Strafrechtserweiterung schon seit Jahren durchsetzen. Der Widerstand dagegen in der Union bröckelte jedoch zusehends, so dass der Entwurf von Lambrecht im Bundeskabinett bereits verabschiedet wurde. In der kommenden Woche soll sich nun der Bundesrat mit dem zustimmungspflichtigen Gesetz befassen. Eine schnelle Entscheidung ist aber nicht zu erwarten. Große Länder wie NRW, Niedersachsen, Bayern und Hessen wollen dem Entwurf nicht zustimmen. Die Strategie der Gegner könnte darauf hinauslaufen, das Gesetz noch in den Vermittlungsausschuss zu treiben. Dann kommt es darauf an, ob sich das Unternehmensstrafrecht in der nicht mehr sehr lange dauernden Legislaturperiode überhaupt noch umsetzen lässt.

Mehr zum Thema: VDMA-Präsident Carl Martin Welcker spricht im Interview über die „Verteufelung des Verbrennungsmotors“.

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