Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) muss Akten über die Beschaffung von Coronamasken zu Beginn der Pandemie herausgeben. Das hat das Verwaltungsgericht Köln am Freitag bekannt gegeben. Geklagt hatte unter anderem der Import-Export-Unternehmer Joachim Lutz. Ihm muss das BMG nun Gutachten, Stellungnahmen und Mailverkehr zur Verfügung stellen, die sich auf ein „Open-House-Verfahren“ im März und April 2020 beziehen.
Im Rahmen dieses Verfahrens hatten Lutz und Dutzende andere Händler Millionen von Masken an das Ministerium geliefert, die bis heute nicht bezahlt wurden. Verantwortlich für die Beschaffung war damals Ex-Minister Jens Spahn (CDU). Unter dessen Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) argumentiert das BMG weiterhin, die Masken seien mangelhaft. Die Unternehmer weisen das zurück und werfen dem Bund Vertragsbruch vor. Sie verlangen Aufklärung über die Vorgänge und klagen vor dem Landgericht Bonn gegen die Bundesrepublik auf Zahlung der Rechnungen.
Mit dem Kölner Urteil kämen sie nun „der Wahrheit näher, wie es zu einer ungeheuren Verschwendung von Steuergeldern und zu dem nachfolgenden Vertragsbruch kam“, sagt Lutz. „Wer die
Entscheidung zum Bruch des Vertrages im BMG traf, und ob dies auf Empfehlung der Beratungsfirma EY geschah, ist bis heute unklar.“ EY hatte das Ministerium bei der Verwaltung des Open-House-Verfahrens unterstützt.
420 Millionen Euro Streitwert
Am Landgericht Bonn sind laut einer Sprecherin bislang 142 „Masken-Klageverfahren“ eingegangen. Die Größenordnungen der Fälle sind sehr unterschiedlich: Im Verfahren mit dem höchsten Streitwert geht es um 85,6 Millionen Euro. Der Unternehmer Walter Kohl, Sohn des Ex-Bundeskanzlers Helmut Kohl, pocht auf 5,5 Millionen Euro für nicht bezahlte Masken. Ein inzwischen rechtskräftiges Urteil verurteilte den Bund zur Zahlung von 3,1 Millionen Euro plus Zinsen.
Wie viele der Verfahren insgesamt bereits entschieden wurden, sich in Vergleichsverhandlungen befinden oder außergerichtlich beigelegt wurden, wird dem Gericht zufolge nicht gesondert erfasst. Das Ministerium teilt auf Anfrage der WirtschaftsWoche mit, es sei nicht möglich, die Zahl der laufenden Verfahren zu beziffern. Sie hätten aber „einen Gesamtstreitwert von rund 420 Millionen Euro“. Steuergelder, die den Lieferanten womöglich zustehen – für Masken, die mittlerweile kaum noch zu gebrauchen sind. Und höchstens noch einen Bruchteil des Wertes haben, für den sie einst erworben wurden.
Die Zivilverfahren vor dem Landgericht Bonn dürften sich weiter in die Länge ziehen. Der Anwalt von Joachim Lutz geht nicht davon aus, dass sein Mandant schnellen Zugang zu den eingeforderten Akten bekommt. Er rechne erst in einem halben Jahr damit, nach Androhung eines Zwangsgeldes.
Lesen Sie auch: Lauterbachs Problem mit den Krankenhäusern