Debatte um Nato-Einsatz Beginnt für die Ukraine keinen dritten Weltkrieg!

Das deutsche Parlament spendet stehenden Applaus, will aber alles vermeiden, was zu einem Übergreifen des Kriegs auf die östlichen EU-Länder führen könnte. Quelle: Imago

Präsident Selenskyj fleht im Bundestag verzweifelt um aktive Hilfe. Aber die Solidarität des Westens hat ihre Grenzen, auch wenn es schwer fällt. Ein Kommentar.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat das getan, was er tun musste und was seine leidenden Landsleute zu Recht von ihm erwarten: Nämlich die EU und die Nato um aktiven Beistand gegen den russischen Aggressor zu bitten. Er tat das per Videoansprache bereits im US-Kongress, im britischen Parlament und jetzt auch im Deutschen Bundestag.

Die Reaktion der so eindringlich wie anrührend angeflehten Abgeordneten war überall die gleiche: Ja, man hilft der Ukraine und ihrem Präsidenten mit Geld und Waffenlieferungen, auch mit logistischer und nachrichtendienstlicher Kooperation – aber eben nicht mit einem aktiven Einsatz von Nato-Truppen. Weder vor Ort in Kiew oder anderen belagerten Städten noch in der Luft mit der Durchsetzung einer Flugverbotszone. Selenskyj und seine Botschafter im Westen können noch so sehr fordern und drängen: Ein solcher Luftkorridor über der Ukraine wäre brandgefährlich. Will man ihn durchsetzen, müsste die Nato gegebenenfalls russische Flugzeuge abschießen, sobald sie in die Flugverbotszone eindringen. Das Ergebnis wäre ein dritter Weltkrieg mit unabsehbaren Folgen.

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Natürlich schmerzt es, wenn gerade Deutschland nach den Gräueltaten der Nazis in der Ukraine jetzt vom bedrängten Präsidenten des Landes an seine historische Verantwortung erinnert wird. Aber man übernimmt als Bundeskanzler keine historische Verantwortung, indem man einen neuen Flächenbrand ungeahnten Ausmaßes in Europa zulässt. Die Verantwortung aus der Geschichte des Zweiten Weltkriegs kann gerade nicht darin bestehen, einen dritten Weltkrieg zu riskieren.

Es ist die bittere Wahrheit, an der Selenskyj sichtlich verzweifelt: Wir stehen zwar an der Seite der Ukraine, aber in sicherer Entfernung. Wir nehmen die vielen Flüchtlinge auf, aber wir schicken keine Soldaten zur Hilfe. Das deutsche Parlament spendet stehenden Applaus, will aber alles vermeiden, was zu einem Übergreifen des Kriegs auf die östlichen EU-Länder führen könnte. Wie bei jedem Brand müssen Schneisen gezogen werden. Das ist keine schöne Aufgabe, aber sie ist notwendig.

Der Krieg muss durch Verhandlungen beendet werden. Der Beitrag der Nato und der EU besteht darin, Wladimir Putin durch Sanktionen so zu schwächen, dass er lieber einem Waffenstillstand zustimmt als weiter einen verlustreichen Krieg zu führen. Das wird dauern – und so lange schauen wir beschämt, aber auch ängstlich und voller Sorge um uns selbst dem Morden in der Ukraine zu.

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