Zwischen Januar und Juni haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen einen Überschuss von 18,5 Milliarden Euro erzielt. Im Gesamtjahr 2016 werden die Budgetüberschüsse der beiden Vorjahre (8,1 beziehungsweise 29,5 Milliarden Euro) wohl übertroffen. Reagieren kann die Politik darauf nun auf dreierlei Weise: durch Nichtstun, eine Erhöhung der Ausgaben oder eine Senkung der Einnahmen.
Die Option Nichtstun ist unrealistisch, weil Deutschland bei Budgetüberschüssen unter internationalen Druck gerät. Vordergründig wird in solchen Fällen ein „Stimulusprogramm“ verlangt, tatsächlich aber empfinden Defizitsünder die deutsche Demonstration, dass es auch anders geht, als Provokation.
Eine Erhöhung der Staatsausgaben als zweite Option würde die Politik der letzten Jahre fortsetzen. Hiervor kann man nur warnen: Eine günstige finanzwirtschaftliche Lage vermag, wie zuletzt zur Jahrtausendwende, jederzeit in ihr Gegenteil umzuschlagen. Ausgabensenkungen sind dann schwierig und schmerzhaft. Einige Nachbarländer, die den Staatshaushalt überspannt haben, gemahnen daran.
Zur Person
Stefan Homburg, 55, ist Professor an der Universität Hannover und Direktor des dortigen Instituts für öffentliche Finanzen.
Könnte das Geld aber nicht zur Verbesserung der Infrastruktur eingesetzt werden? Theoretisch ist das möglich, praktisch aber nicht, weil der Zeithorizont nicht passt. Wegen der zähen staatlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren, die durch Bürgerinitiativen und Prozesse zusätzlich verzögert werden, ist es unmöglich, Budgetüberschüsse rasch durch Infrastrukturinvestitionen abzubauen.
Dies verdeutlicht die Hochmoselbrücke, die im Januar 2009 als Teil des „Konjunkturpakets II“ beschlossen wurde und deren Fertigstellung aktuell für 2018 geplant ist. Natürlich wäre es richtig, die mittelfristigen Ansätze für Instandhaltungsmaßnahmen zu erhöhen; man darf sich nur keine sofortige Wirkung versprechen.
Damit bleiben Steuersenkungen als dritte Möglichkeit. Hierfür wurden zuletzt zahlreiche Vorschläge gemacht, die sich auf die Einkommensteuer konzentrieren. Für eine Senkung des Einkommensteuertarifs spricht, dass die Steuerpflichtigen zumindest einen Teil der Mehrbelastungen zurückerhielten, die in den vergangenen Jahren aufgrund der „kalten Progression“ entstanden.
Drei große Vorteile einer Anhebung der Körperschaftsteuer
Könnte man Steuern unabhängig von politischen Zwängen senken, wäre eine Tarifreform bei der Einkommensteuer aber nicht erste Wahl. Vielmehr eröffnen Budgetüberschüsse ein Zeitfenster, volkswirtschaftlich besonders vorteilhafte Reformen anzugehen, wenngleich die Vorteile eher mittelfristig entstehen. Hierzu gehört an erster Stelle die Zusammenlegung der Gewerbe- und Körperschaftsteuer, die Gewinne von Kapitalgesellschaften mit je 15 Prozent belasten.
Eine Anhebung des Körperschaftsteuersatzes auf 30 Prozent bei Wegfall der Gewerbesteuer und stärkerer Beteiligung der Gemeinden am Aufkommen der Körperschaft- und Einkommensteuer kostet nicht viel, hat aber drei große Vorteile.
Steuern: So viel Geld nimmt der Bund bis 2020 ein
Nach Informationen des Bundesfinanzministeriums hat der Bund im vergangenen Jahr (2015) 281,6 Milliarden Euro durch Steuergelder eingenommen.
Quelle: BMF (Arbeitskreis Steuerschätzungen), Stand: Mai 2016
Für das Jahr 2016 prognostizieren Experten noch etwas höhere Steuereinnahmen des Bundes als im Vorjahr, nämlich 290,1 Milliarden Euro.
2017 soll die 300-Milliarden-Euro-Marke überschritten werden. Die geschätzten Steuereinnahmen des Bundes liegen bei 301,8 Milliarden Euro.
Für das Jahr 2018 sagt der Arbeitskreis "Steuerschätzung" 315,7 Milliarden Euro Steuereinnahmen des Bundes voraus.
328,2 Milliarden Euro werden es - laut Expertenschätzungen - im Jahr 2019 sein.
2020 werden die Steuernahmen des Bundes bei schätzungsweise 339,9 Milliarden Euro liegen.
Erstens würden mit der Gewerbesteuer millionenfache Erklärungen und Prüfungen entfallen.
Zweitens ist die Gewerbesteuer, die ausschließlich Tätigkeit in Deutschland belastet, ein Triebfaktor, verlängerte Werkbänke ins Ausland zu verlagern. Wer Arbeitsplätze in Deutschland fördern will, muss eine Steuer ablehnen, die diese Arbeitsplätze verteuert.
Drittens würde die „Hinzurechnung“ von Kosten entfallen, die für manche Unternehmen einer „Hinrichtung“ gleichkommt. Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst die Steuerbelastung eines Tankstellenpächters durchgewinkt, der auf 15.839 Euro Gewinn nicht weniger als 86 Prozent Gewerbe-, Körperschaft- und Abgeltungsteuer zahlen sollte. Der Einwand, Artikel 28 des Grundgesetzes garantiere die Gewerbesteuer, geht fehl, weil diese Norm nur ein Hebesatzrecht für eine „wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle“ schützt, die mit der Grundsteuer ohnehin zur Verfügung steht.
Auf Platz zwei der Prioritätenliste stünde die Abschaffung der Grunderwerbsteuer, die den Immobilienerwerb von Familien, aber auch Umstrukturierungen in Konzernen, mit bis zu 6,5 Prozent belastet. Dieses verkehrssteuerliche Relikt, das Mobilität und Flexibilität bestraft und mit einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nichts zu tun hat, wirkt wie aus der Zeit gefallen.
Derartige Vorschläge lassen sich zu Wahlprüfsteinen für die Bundestagswahl 2017 machen – damit es nicht wie 2013 zu einem Wettlauf um die höchsten Wohlfühlausgaben kommt.
Verantwortliche Politik bedeutet nicht maximale Transfers, sondern langfristige Sicherung unseres Wohlstands.