Denkfabrik

Das Märchen von der Schrottbank

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EZB schmälert das Risiko einer Rezession

Seit Mai haben der russische Feldzug gegen die Ukraine und andere geopolitische Risiken die deutsche Konjunktur erneut aus dem Tritt gebracht. Der jüngste Einbruch der ifo-Geschäftserwartungen zeigt, dass eine Rezession nicht mehr auszuschließen ist. Die EZB hat die Aufgabe, den Preisauftrieb bei knapp zwei Prozent pro Jahr zu halten. Mit nur noch 0,3 Prozent verfehlt sie dieses Ziel derzeit erheblich. Die aktuelle Schwäche gerade auch der deutschen Konjunktur spricht gegen ein spürbares Anziehen der Euro-Inflation in den kommenden Jahren. Das eindeutige Mandat der EZB verpflichtet sie zum Gegensteuern. Da sie die Leitzinsen nicht mehr senken kann und den Spielraum für konventionelle Refinanzierungsangebote bereits ausgereizt hat, ist der Ankauf von Anleihen der nächste naheliegende Schritt. Die EZB wird Zinstitel in Form von Pfandbriefen und verbrieften Kreditbündeln kaufen. Sie tut dies im Tausch gegen Zentralbankgeld, das sie nahezu kostenlos schöpfen kann. Die zusätzlichen Zinseinnahmen erhöhen ihren Gewinn. Diesen Zusatzgewinn reicht sie anteilig an den deutschen Steuerzahler weiter, der über die Bundesbank zu 27 Prozent Eigentümer der EZB ist.

Natürlich könnten dem Zusatzgewinn auch Verluste gegenüberstehen, wenn die gekauften Titel ausfallen. Aber wie groß ist dieses Risiko? Die Ausfallrate für die Gesamtheit der Papiere, die die EZB kaufen will, lag von Mitte 2007 bis Herbst 2013 bei 1,5 Prozent. Trotz der Weltfinanzkrise und der Euro-Krise, die in diese Zeit fielen, war die Ausfallrate sehr gering. Denn die europäischen Papiere sind von anderer Qualität als amerikanische ABS-Anleihen einschließlich der berüchtigten „Subprime-Papiere“, deren Ausfallrate in jener Zeit bei 18,4 Prozent lag. Die EZB will sich bei ihren Käufen auf die hochwertigen Segmente des Marktes konzentrieren. Für diese Segmente lagen die Ausfallraten selbst in der Finanz- und Euro-Krise vielfach nur bei 0,1 Prozent oder darunter. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass Einzelverluste der EZB aus solchen Papieren ihre zusätzlichen Zinsgewinne aufzehren.

Noch wichtiger aber ist, dass die EZB mit einer angemessenen Geldpolitik das Risiko einer Rezession schmälert. Damit verringert sie die Ausfallgefahr für Wertpapiere innerhalb und außerhalb ihrer Bilanz. In einem banalen Sinn haben die Kritiker natürlich recht: Menschliches Handeln birgt immer Chancen und Risiken. Aber Nichtstun wäre weit riskanter. Eine Zentralbank, die keine Geldpolitik betriebe, könnte mit einer Minibilanz weder einen Gewinn machen noch ein Risiko eingehen.

Aber der Schaden, den sie durch den Verzicht auf Geldpolitik anrichtete, wäre katastrophal. Die Welle von Insolvenzen, Arbeitsplatzverlusten sowie Steuer- und Kreditausfällen würde nahezu alle Bürger teuer zu stehen kommen. Nur auf hypothetische Risiken zu schauen greift zu kurz. Die Notenbank muss eine angemessene Geldpolitik betreiben. Indem sie dies tut, mindert sie die Risiken für alle Beteiligten, auch für die deutschen Steuerzahler.

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