Die Bundesregierung rüstet sich mit Hochdruck für einen russischen Gas-Lieferstopp und für eine Rettung von Versorgern. Das Bundeskabinett billigte dafür am Dienstag den Entwurf eines reformierten Energie-Sicherungsgesetzes (Ensig), das der Regierung zahlreiche Optionen für im Falle einer Verschärfung der Gas-Krise gibt.
Dazu gehören auch Instrumente zur Stützung von angeschlagenen Versorgern wie Uniper bis hin zu einem staatlichen Einstieg. Einem Zeitungsbericht zufolge wird diskutiert, dass der Bund neue Aktien von bis zu 25 Prozent zum Nennwert von 1,70 Euro je Aktie zeichne. Das berichtete das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Finanzkreise. Darüber hinaus sei eine sogenannte stille Beteiligung ohne Stimmrechte im Gespräch. Deren Volumen könnte zwischen drei und fünf Milliarden Euro liegen.
Bundestag und Bundesrat sollen dem Ensig noch diese Woche zustimmen, was als sicher gilt. Damit kann das Gesetz noch vor der geplanten Sperrung der wichtigen Gas-Leitung Nordstream 1 beschlossen werden und es macht zudem den Weg für eine Stützung der Versorger frei. Die Wartung der Pipeline ist ab 11. Juli für zehn Tage angesetzt. Es wird allerdings befürchtet, dass dies wegen der Spannungen mit Russland länger dauern könnte oder letztlich auch gar kein Gas mehr hindurchgeleitet wird.
Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte, er wolle einen Dominoeffekt durch die Probleme des Gasversorgers Uniper unbedingt verhindern. „Wir werden nicht zulassen, dass wir einen systemischen Effekt im deutschen und europäischen Gasmarkt bekommen“, sagte der Grünen-Politiker.
Sonst wären andere Firmen auch betroffen und die Versorgungssicherheit könnte womöglich gefährdet werden.. Zu dem Bericht über einen Einstieg beim Versorger war zunächst weder vom Wirtschaftsministerium noch von Uniper eine Stellungnahme zu erhalten.
Wie der Staat Uniper retten könnte
Die Rettungsaktion für Uniper könnte dem Beispiel des Falles Lufthansa folgen, die vor zwei Jahren wegen des Geschäftseinbruchs in der Coronapandemie mit öffentlichen Milliardenhilfen vor der Pleite bewahrt werden musste.
Im März 2020 wurde zur Stützung von Unternehmen in der Corona-Krise der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aufgelegt. Er konnte mit einer Mittelausstattung von 600 Milliarden Euro verschiedene Instrumente einsetzen: Zur Abwehr akuter Liquiditätsnöte stellte die staatliche Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Darlehen oder Kreditgarantien zur Verfügung.
Die Lufthansa oder der Reisekonzern TUI nutzten vor allem Stille Einlagen des WSF. Das ist eine Form von verzinstem Eigenkapital, bei dem der Geldgeber anders als ein Aktionär kein Stimmrecht hat. Der Zins belief sich bei der Lufthansa eingangs auf vier Prozent und wäre bei langjähriger Nutzung bis 2027 auf 9,5 Prozent gestiegen. Im Fall der Airline beteiligte sich der Staat außerdem direkt über den Erwerb eines Aktienpakets von 20 Prozent. Es machte den Staat zum Hauptaktionär, der zwei Vertreter des Aufsichtsrates stellen durfte.
In der damals regierenden großen Koalition war umstritten, wie viel Einfluss der Staat auf die Lufthansa nehmen sollte. Die SPD wollte über das Aktienpaket Mitsprache und Kontrolle sicherstellen angesichts des hohen Finanzhilfevolumens von bis zu neun Milliarden Euro. Die Unionsparteien CDU/CSU wollten dem Konzern nicht ins Geschäft reinreden und waren daher für Stille Einlagen. Die Lufthansa-Aktionäre mussten den Plan auf einer außerordentlichen Hauptversammlung absegnen.
Da es sich um Staatsbeihilfen handelte, die dem Unternehmen keinen Vorteil gegenüber nicht staatlich gestützten Konkurrenten verschaffen soll, musste die EU-Kommission das Rettungspaket prüfen und genehmigen. Unfaire Vorteile des subventionierten Unternehmens werden über Auflagen unterbunden. So durfte die Lufthansa keine Firmen übernehmen oder Unternehmensteile quer subventionieren, so lange nicht 75 Prozent der Hilfen zurückgezahlt waren. Auch sollen Aktionäre und Manager vom Geld des Steuerzahlers nicht profitieren – deshalb dürfen Dividenden sowie Bonuszahlungen und andere variable Vergütungen erst wieder fließen, wenn das gesamte Rettungspaket zurückgezahlt ist. Die Vergütung der Lufthansa-Vorstände hat sich so mehr als halbiert.
Schon im November 2020 konnte die Lufthansa wieder Mittel privater Geldgeber am Kapitalmarkt aufnehmen und schrittweise die Kredite und Stillen Einlagen tilgen. Der WSF ist derzeit noch mit rund 14 Prozent an der Lufthansa beteiligt. Diesen Anteil muss er bis Oktober 2023 verkaufen.
Auch das Finanzministerium äußerte sich nicht. Uniper ist in Schieflage geraten, da Russland derzeit etwa 60 Prozent der zugesagten Gas-Mengen nicht liefert.
Dies müsse teuer kurzfristig am Markt zugekauft werden. Die Kosten können nach jetziger Rechtslage nicht an die Kunden wie Stadtwerke mit bestehenden Verträgern weitergegeben werden. Ein Paragraf im Ensig würde der Regierung eine Änderung ermöglichen, dann kämen aber womöglich Stadtwerke in Probleme. Die Uniper-Aktien, deren Handel wegen Kursturbulenzen mehrfach kurzfristig unterbrochen worden war, notierten neun Prozent im Minus. Sie hatten schon am Montag rund ein Viertel ihres Wertes eingebüßt.
Der Mehrheitsaktionär von Uniper, das staatliche kontrollierte finnische Unternehmen Fortum, sieht die Schlüsselrolle für Hilfen für Uniper bei der deutschen Regierung. Die finnische Regierung sei an den Gesprächen nicht beteiligt. Eine nachhaltige Lösung für Uniper müsse schnell gefunden werden und der Schlüssel dafür liege in den Händen der deutschen Regierung, sagte eine für Fortum zuständige Regierungsmitarbeiterin.
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