Eric Schweitzer "Rente mit 63 ist ein Schnitt ins Herz"

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"Rente mit 63 ist ein enormes Kostenrisiko"

Kommt die Wirtschaft mit den aktuellen Zuwanderungsströmen hin?

Von den 470.000 Zuwanderern im letzten Jahr arbeiten rund 40 Prozent, die Übrigen sind im Wesentlichen Familienangehörige. Damit kämen wir also etwa auf 200.000 Arbeitskräfte. Mit Blick auf die Demografie ist das ein guter Erfolg. Wir müssen uns aber von dem Glauben trennen, Deutschland sei automatisch ewig und für jeden attraktiv.

Die wichtigsten Begriffe zur Rente
ZeitrenteAls Zeitrente wird ein Vorsorgebetrag bezeichnet, der nur über einen bestimmten, endlichen Zeitraum gezahlt wird. Ein klassisches Beispiel dafür sind Einnahmen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Sie werden gezahlt, bis die Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden. Quelle: Fotolia
Witwen-/WitwerrenteStirbt ein Ehepartner, hat der andere Anspruch auf Witwenrente. Voraussetzung dafür ist, dass das Paar noch verheiratet war, allerdings ist es egal, ob zusammen oder getrennt gelebt wurde. Außerdem müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Unter anderem muss der verstorbene Partner mindestens fünf Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Heiratet der Hinterbliebene erneut, endet die Witwenrente. Quelle: Fotolia
RentensplittingDas Rentensplitting ist vergleichbar mit dem Ehegattensplitting. Die Ansprüche beider Ehepartner werden in einen Topf geworfen und zu gleichen Teilen unter beiden gesplittet. Davon Gebrauch machen dürfen Eheleute, die 2002 oder später geheiratet haben. Aber auch eingetragene Lebenspartner dürfen ihre Altersbezüge entsprechend teilen. Quelle: DAPD
Wer profitiert vom Rentensplitting?Nicht nur Ehepartner mit einer sehr kleinen Rente können vom Splitting profitieren. Lohnen kann sich ein Splitting auch für jemanden, der keine Witwerrente bekommen würde, da seine Einnahmen zu hoch sind. Außerdem darf dank Splitting in der Regel auch mehr hinzuverdient werden. Quelle: Fotolia
MütterrenteDie Mütterrente gibt es erst seit diesem Jahr. Profitieren sollen vor allem Mütter, die bisher keinen Anspruch auf Rente hatten, weil sie aufgrund der Kindererziehung nicht lange genug gearbeitet haben. Anspruch haben Frauen, die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben. Bisher wurde ihnen lediglich ein Jahr Erziehungszeit auf ihrem Rentenkonto angerechnet, jetzt sind es zwei. Pro Monat bedeutet das ein Plus von knapp 30 Euro. Quelle: Fotolia
Wie viel dürfen Rentner dazuverdienen?Viele suchen auch im Ruhestand nach ein wenig Zeitvertreib und wollen noch etwas hinzuverdienen. Doch gerade für Rentner sind die Regeln da streng. Sogenannte Vollrentner, die das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht haben, dürfen prinzipiell unbegrenzt dazuverdienen. Allerdings muss der Betrag komplett zusammen mit der Rente versteuert werden.      Quelle: Fotolia
Was passiert bei Frührentnern?Wer vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in Rente geht, erhält eine gekürzte Rente, die sogenannte Frührente. Für jeden Monat, den man früher zu arbeiten aufhört, werden 0,3 Prozent von der eigentlichen Rente abgezogen. Zwar dürfen auch Frührentner Geld hinzuverdienen. Allerdings wird dieses am Ende mit der gekürzten Rente verrechnet. Der Frührentner muss die Rentenversicherung darüber informieren, dass er einen Nebenjob hat, diese wird dann die entsprechende Kürzung ausrechnen. Je nach Wohnort gelten bestimmte Hinzuverdienstgrenzen. Quelle: Fotolia

Kann der Arbeitsmarkt kurzfristig so viele Zuwanderer verkraften?

Absolut. Wir sehen für das laufende Jahr einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit um 50.000 und ein Beschäftigungsplus von 200.000 Personen.

In der Arbeitslosenversicherung müssten dann Überschüsse anfallen.

Wenn es in der Arbeitslosenversicherung dauerhaft Überschüsse gibt, dann sollten diese den Beitragszahlern zurückgegeben werden, also den Versicherten und den Unternehmen. Dadurch könnten die Unternehmen zumindest ein wenig entlastet werden, wenn schon die Kosten durch den Mindestlohn steigen. In der Zukunft kommen ja ohnehin steigende Lohnzusatzkosten auf die Unternehmen zu durch die Rente mit 63 und die Mütterrente.

206.000 Menschen haben im vorigen Jahr einen Antrag gestellt. Die Rente mit 63 entwickelt sich zum Kassenschlager.

Ja, sie schlägt Löcher in die Rentenkasse. Die Rente mit 63 Jahren ist ein enormes Kostenrisiko. Einmal hat mich Ministerin Nahles gefragt, wie wir die Menschen länger in Arbeit halten könnten. Da musste ich ihr sagen: Sie setzen einen hohen Anreiz dafür, früher auszuscheiden. Wie soll die Wirtschaft das noch übertrumpfen? Jetzt gehen viele richtig gut ausgebildete, gut arbeitende, besonders erfahrene Facharbeiter. Das ist ein Schnitt mitten ins Herz.

Welche Kosten erwarten Sie durch die Rente mit 63?

Für die Rente mit 63 müssen die Beitragszahler, aber auch die Unternehmen, die Rentner und der Steuerzahler auf Jahre hin Milliardenbeträge aufbringen. Bis zum Jahr 2030 werden sich die zusätzlichen Belastungen für die Rentenkasse nach aktuellen Schätzungen auf fast 50 Milliarden Euro summieren. Neben diesen höheren Kosten ist es aber auch ein falsches Signal, das die Politik mit der abschlagsfreien Rente mit 63 an die älteren Beschäftigten sendet.

Diese Frührentner gehen dem Arbeitsmarkt verloren. Dabei würden sie von den Betrieben dringend gebraucht. Unternehmen investieren seit Jahren in Weiterbildung, Prävention und Gesundheitsförderung, um ihre Beschäftigten möglichst lange zu halten. So ist die Beschäftigung Älterer in den vergangenen Jahren erfreulich stark angewachsen. Diese Erfolge werden durch die Rente mit 63 konterkariert.

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