Altkanzler Gerhard Schröder hat die SPD aufgefordert, Schluss mit der Kritik an Parteichef Sigmar Gabriel zu machen. Die Aufgabe der Partei sei: „Hinter dem Vorsitzenden versammeln, ihn nicht alleine lassen“, sagte Schröder am Mittwoch in Berlin. „Das ist mir ernst.“ Gabriel ist in seiner Partei nicht unumstritten. Es gibt Zweifel, ob er für 2017 der richtige Kanzlerkandidat ist - auch wenn bisher kein anderer die Aufgabe schultern will und ihm wohl niemand den Vortritt streitig machen würde. In Umfragen liegt die SPD derzeit nur bei rund 20 Prozent.
Um Wahlen zu gewinnen, brauche es Machtbewusstsein, sagte Schröder außerdem. "Wenn man Macht nicht wirklich will - demokratisch legitimierte Macht, auf Zeit verliehene Macht - dann glauben einem die Leute nicht, dass man gut regieren kann." Und weiter: "Man muss schon den Eindruck erwecken, dass man nicht zum Jagen getragen werden will, sondern (...) dass man die Anderen jagen will und nicht die eigenen Leute", fuhr Schröder unter dem Beifall zahlreicher SPD-Spitzenpolitiker fort.
Die SPD-Führung
Seit 2009 Parteichef, macht die SPD in regelmäßigen Abständen mit Alleingängen nervös. War im Sommer in der Krise, bekam beim Ja zur Vorratsdatenspeicherung reichlich Gegenwind. Punktete in der Flüchtlingskrise aber wieder. Hat Anspruch auf Kanzlerkandidatur 2017 angemeldet. Bei seiner Rede gab er sich staatsmännisch und warb für einen Kurs der Mitte. Die Linke goutierte das nicht. Die herbe Quittung: Nur 74,3 Prozent nach 83,6 Prozent vor zwei Jahren.
Landesmutter in Nordrhein-Westfalen, lange als Gabriel-Konkurrentin gehandelt, will von Bundespolitik aber nichts mehr wissen. Konzentriert sich voll auf die Landtagswahl 2017 an Rhein und Ruhr. In der Flüchtlingskrise wieder präsenter. Parteivize seit 2009, bei der letzten Parteitagswahl vor zwei Jahren 85,6 Prozent. Am Freitag fehlte sie wegen Fieber und Schüttelfrost. Geschadet hat es nicht: Sie kam auf 91,4 Prozent Zustimmung.
Seit 2011 SPD-Vize (Wahl 2013: 79,9 Prozent). Die Flüchtlingskrise wäre für die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung eigentlich die große Zeit, um Akzente zu setzen. Sie blieb bislang aber eher blass - auch als Parteivize. Geht mit ihrer zurückhaltenden Art im SPD-Gefüge etwas unter. Als einzige Migrantin unter den Vizes hat die Tochter türkischer Kaufleute in diesen Zeiten dennoch einen festen Platz. Der Lohn: 83,6 Prozent.
Landes- und Fraktionschef der hessischen SPD, wird oft unterschätzt, müht sich um bundespolitisches Profil. „TSG“ kümmert sich auch um die internationalen SPD-Kontakte. Der Mann mit den dicken Brillengläsern - in der Jugend drohte er zu erblinden - ist glühender Bayern-Fan, trat aus Protest gegen die Hoeneß-Steueraffäre aber beim Rekordmeister aus. Bekam 2013 als Vize 88,9 Prozent. Schaffte das Resultat diesmal fast: 88,0 Prozent.
Wird als kluger Verhandler in der SPD geschätzt, wie bei den Bund-Länder-Finanzen. Für den Fall, dass Gabriel irgendwann nicht mehr will oder darf, fällt stets auch sein Name. Hat bei den Delegierten aber oft einen eher schweren Stand. Vor zwei Jahren bekam er als Vize nur 67,3 Prozent. Das Nein seiner Hamburger zur Olympia-Bewerbung der Hansestadt war für Scholz ein Dämpfer. Der Parteitag leistete etwas Aufbauarbeit: 80,2 Prozent.
Seit 2009 Parteivize (Wahl 2013: 80,1 Prozent). Die Bundesfamilienministerin hat sich in der SPD einen guten Stand erarbeitet - gerade mit ihrem Thema Frauen und Familie. Früher intern mitunter belächelt, gilt sie heute als wichtige Figur im Parteiengefüge, mit Aussicht auf höhere Aufgaben. Mit SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann soll sie das Wahlprogramm für 2017 erarbeiten. Erwartet derzeit ihr zweites Kind. Die Delegierten bescherten ihr mit 92,2 Prozent das beste Ergebnis aller Vizes.
Allzweckwaffe vom linken Flügel, SPD-Erklärbär auf allen Kanälen. Träumt seit Jahren davon, Generalsekretär zu werden - darf aber nicht, weil es nach dem Fahimi-Rückzug wieder eine Frau sein sollte. Der Kieler Landeschef erhielt 2013 bei seiner Wahl zum Vize 78,3 Prozent. Auch er kann sein Niveau in etwa halten: 77,3 Prozent.
Von Gabriel als Generalsekretärin ausgeguckt. Bislang in der Bundespolitik kaum in Erscheinung getreten. Sitzt seit 2013 im Bundestag, muss nun den nächsten Wahlkampf vorbereiten. Machte vor der Politik Karriere als Juristin. Kein Wadenbeißer-Typ, eher ruhig, zurückhaltend. Muss sich in der SPD erst noch einen Namen machen. Der Parteitag gibt ihr mit 93 Prozent eine großen Vertrauensvorschuss. Fast 20 Punkte mehr als ihr künftiger Chef Gabriel.
Die SPD-Prominenz feierte das 50-jährige Bestehen der nordrhein-westfälischen Landesgruppe in der Bundestagsfraktion. Der Kanzler der rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2005 versicherte dem SPD-Chef, er sei nicht gekommen, um sich die Unterstützung der Landesgruppe für die nächste Kanzlerkandidatur zu holen. "Keine Angst, Sigmar", sagte der sichtlich gutgelaunte Schröder unter dem Gelächter der Gäste.
Gabriel sagte als Vorredner Schröders, die SPD sei eine "linke Volkspartei, die natürlich auch in die Mitte ausgreifen will". Der Vizekanzler hat sich bisher nicht geäußert, ob er seine Partei als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl 2017 führen will. Sprachregelung der SPD ist bisher, dass die Kanzlerkandidatur frühestens Anfang 2017 geklärt werde.