Glosse Danke, Herr Bayaz!

An den Pranger gestellt: Am Steuerbetrugsportal scheiden sich die Geister. Quelle: imago images

Das Steuerbetrugsportal ist erst der Anfang – es ließe sich wunderbar als Plattform ausrollen. Eine Glosse.

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Das Steuerbetrugsportal von Stuttgarts Grünen-Finanzminister Danyal Bayaz ist eine feine Sache. Es bringt dem Staat höhere Einnahmen und das zu niedrigeren Kosten – übernimmt doch schließlich der ganz normale Bürger die Arbeit von Finanzbeamten und Steuerfahndern.

Zudem ist es, wie jede erfolgreiche Softwareplattform, wunderbar skalierbar. Ohne zusätzliche Kosten lässt es sich auf neue, politisch interessante Felder ausweiten. In einem zweiten Schritt empfehle ich, ein Corona-Betrugsportal freizuschalten – vielleicht findet sich da ja sogar noch ein Plätzchen auf der Luca-App: Frau Y war drei Wochen auf Malle, aber nicht in Quarantäne? Melden!

Oder: Herr X hat im Bäckerladen die Maske nicht über die Nase gezogen – der sollte doch zumindest eine ermahnende SMS bekommen! Und wenn er nochmal Gäste aus zwei Haushalten empfängt, die sich vorher nicht die Hände desinfiziert haben – ab mit der Info ans Gesundheitsamt!

Vormerken: Auch Fortschritte beim Klimaschutz sind hier denkbar. Der Nachbar lässt sein Auto zu lange im Stand laufen, befeuert einen alten Ölofen und will seine Fassade partout nicht dämmen? Das sollte doch festgehalten werden, zumindest für später.

Ende der Satire. Weil es Menschen gibt, die das Bayaz-Portal offenbar wirklich gut finden, gar als Meilenstein der Digitalisierung feiern, nur das noch: Das Menschenbild und das Staatsverständnis, die hinter dieser Innovation stehen, sind gruselig. Jeder Deutsche ein potenzieller Steuerhinterzieher, jeder Bürger ein potenzieller Blockwart, der seinen Nachbarn immer im Auge hat. Steuerbetrug ist eine Straftat, aber damit werden die Behörden schon heute ganz gut fertig. Das Portal hingegen fördert ein Klima des Misstrauens, begünstigt und verharmlost Denunziantentum und Spitzelei und bereitet den Boden für einen noch effizienteren Durchgriff des Staates auf alle Lebensbereiche seiner Bürger.

Dieser Staat ist zwar heute schon vielfach überfordert. Auf eines aber ist Verlass: Auch wenn sonst alles schief läuft – zuletzt: Corona, Hochwasser, Afghanistan – der Fiskus kommt an sein Geld. Und wenn es dann doch mal nicht reicht, druckt er eben Neues.

Mehr zum Thema: Mit der Härte der Kritik dürfte Danyal Bayaz nicht gerechnet haben. Nun wird auch in Berlin über die Steuerbetrug-Plattform gestritten. Der Landesminister hält indes daran fest.

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