Glückspielstaatsvertrag Der Kampf um das legale Glückspiel im Netz

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„Konjunkturprogramm für illegale Angebote“

Der Staat kann zwar das Betreiben von Spielhallen erschweren und so das Straßenbild von Bahnhofsvierteln und Gewerbegebieten verändern, aber vermutlich ändert er damit nichts an der Nachfrage. Es gab vermutlich keine Epoche und keine Kultur der Menschheitsgeschichte, in der das gewinnermöglichende Glückspiel nicht existierte – große Unterschiede gab und gibt es bis heute allerdings, was die gesellschaftliche und politische Akzeptanz angeht. Sie ist etwa im traditionell wettbegeisterten Großbritannien sehr viel größer als hierzulande.

Spielautomaten-Lobbyist Henzgen beklagt in Deutschland eine mangelnde „Akzeptanz des Faktischen“: „Glücksspiel findet in der Mitte der Gesellschaft statt. Das anzuerkennen ist keine Glaubensfrage, sondern Tatsache und damit Voraussetzung für jede weitere sinnvolle Auseinandersetzung mit dem Thema.“ Stattdessen habe eine „unheilige Allianz von moralisierender Konsumentengängelung und hartnäckigem ordnungspolitischem Desinteresse“ zu einem „Weniger-ist-besser-Paradigma“ geführt. „Die öffentliche Beschäftigung mit Glücksspiel“, sagt Henzgen, „ist oftmals unterkomplex und moralinsauer. Dies verhindert seit Jahren eine Regelung, die den staatlichen Schutzauftrag und die Freiheitsrechte der Konsumenten in einen sinnvollen Ausgleich bringt.“ Das Ergebnis sei ein „Konjunkturprogramm für illegale Angebote“. Die finden sich heutzutage nicht mehr nur in schmuddeligen Hinterzimmern, sondern für jedermann leicht zugänglich im Internet. „Die Regulierung ist erkennbar gescheitert, wenn legale Spielhallen, die sich an Recht und Gesetz halten, Abstände einhalten müssen, während über illegale Onlineanbieter die gleichen Spiele an jedem Ort verfügbar sind.“, sagt Stecker.

Nur fünf bis sieben Prozent der Menschen, die im Internet an Glückspielen teilnahmen, wussten, dass das in Deutschland in den allermeisten Fällen illegal ist, wie eine Umfrage von Löwen Entertainment 2017 zeigte. Nicht überraschend, schließlich finden sich rund 1000 deutschsprachige Seiten im Netz, die solche Geldgewinnspiele anbieten – von illegalen, kriminellen Anbietern oder von solchen, die im Ausland, etwa in Malta oder Großbritannien, legal aktiv sind.


„Wir brauchen attraktive legale Angebote in allen Glücksspielformen – online und offline“, sagt Henzgen. „Ansonsten werden die Konsumenten weiterhin von Staats wegen in den Schwarzmarkt getrieben.“ Die Argumente von Löwen Entertainment für die Legalisierung des Online-Glückspiels sind letztlich ähnliche Argumente wie diejenigen für die staatlich kontrollierte Freigabe von Drogen: Der „Stoff“ ist frei von besonders toxischen Zusätzen, wird von geschulten, kontrollierten Händlern angeboten – und vor allem nicht an Minderjährige verkauft. In Dänemark, so Henzgen, habe die Legalisierung dafür gesorgt, dass über 90 Prozent des Internet-Glückspiels nun bei staatlich regulierten Anbietern stattfinde. Im Schwarzmarkt herrschen weder Schweinsteigers fünf Regeln für ein „sauberes“ Spiel, noch können dort die fünf Ziele des noch laufenden Glückspielstaatsvertrages verfolgt werden: So soll das Entstehen von Spielsucht vermieden und das Bedürfnis zu Spielen in geordnete Bahnen gelenkt werden. Zudem soll der Jugend- und Spielerschutz gewährleistet werden. Die Regelungen sollen zudem dazu beitragen, dass das Glücksspiel ordnungsgemäß durchgeführt wird und die Integrität des sportlichen Wettbewerbs (sofern es um Sportwetten geht) gewahrt bleiben.

Dass Löwen und andere Anbieter von Spielautomaten wie zum Beispiel die Gauselmann-Gruppe nicht aus selbstlosen Gründen für die Legalisierung des Internetglückspiels im künftigen neuen Staatsvertrag eintreten, versteht sich von selbst. Es würde ihnen schließlich eine riesige neue Geschäftsmöglichkeit eröffnen. Dass man gerne in den Online-Markt einsteigen würde, streitet Henzgen nicht ab.


Der Widerstand vieler deutscher Bundesländer gegen die Legalisierung des Glückspiels im Internet ist möglicherweise nicht nur auf einen moralisierenden öffentlichen Diskurs zurückzuführen, sondern auch auf ganz handfeste Interessen. Wenn das grundsätzliche Verbot fallen sollte, würden aller Voraussicht nach auch die staatlichen Lotterien der Bundesländer digitale Angebote eröffnen. Dies würde vermutlich einige Lotto-Gesellschaften der Länder, vor allem die kleinen im Saarland, in Bremen und in Hamburg in Existenznot bringen. Dieser befürchtete Zentralisierungseffekt – so hört man aus Kreisen der Glückspielanbieter – sei der Grund dafür, dass sich vor allem die Vertreter dieser drei kleinen Länder gegen eine Lockerung des Verbots des Online-Glückspiels im neu auszuhandelnden Staatsvertrag sperren. Wer zum Beispiel die skandalgeprägte jüngere Geschichte der Saarland-Sporttoto GmbH kennt, weiß, welche Möglichkeiten für die Verteilung von Pfründen hier zu verlieren sind.

Das Jahresgehalt eines Geschäftsführers - im kleinen Saarland sind es stets zwei, einer von der SPD, einer von der CDU bestimmt - beträgt nach Angaben des Unternehmens 147 804 Euro. Da beide Geschäftsführer zugleich auch Chefs des Tochterunternehmens Saarland-Spielbank GmbH sind, erhält jeder noch 76 380 Euro zusätzlich, insgesamt also 224 184 Euro. Damit verdienen die beiden Geschäftsführer deutlich mehr als der Ministerpräsident (rund 164.000 Euro).

Besonderes Glückspielexpertise als Qualifikation scheint dabei nebensächlich. Derzeit haben der Ex-Präsident des Stadtverbandes Saarbrücken Michael Burkert (SPD) und der frühere Landesfinanzminister Peter Jakoby (CDU) den lukrativen Posten inne.

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