Dann aber, in den entscheidenden Wochen, zeigte Julia Klöckner, dass sie nicht das Format zur Ministerpräsidentin hat. Sie setzte sich halbwegs von Angela Merkel ab, um Angela Merkel halbwegs zu stützen, sie setzte Spitzen gegen die Kanzlerin und nahm sie wieder zurück, vor allem aber drängte sie nicht nur machtvoll in die Öffentlichkeit, sondern drängte sich auch den Wählern auf - scheinbar über alle Selbstzweifel erhaben, ausgestattet mit der pumperlgesunden Gewissheit volksgesunder Naivität.
Mag sein, dass das viele Wähler anfangs mit Charme verwechselt haben. Doch mit jeder weiteren Stellungnahme kratzte Klöckner am Make-Up ihrer politischen Rolle - und zeigte ihr wahres, ängstliches, verunsichertes Gesicht. Heillos irritiert vom Umfragehoch der AfD, gab sie zuletzt das Bild einer politischen Verzweiflungstäterin ab, noch ehe sie ein Fünkchen Verantwortung trug.
Zuletzt forderte Klöckner ein „Zeichen an Flüchtlinge“, dass man nach Deutschland „nicht einfach so reingeschwappt kommt“ (ein Satz, den die AfD-Vorsitzende Frauke Petry sich nicht leisten könnte). Dagegen musste Malu Dreyer wie eine Politikerin von Maß und Mitte wirken, von Format, Vernunft und alter Schule.
Kurzum, am Ende gerieten die Landtagswahlen nicht zur Abstimmung über den Flüchtlingskurs der Kanzlerin. Sondern zur Abstimmung über das Prinzip Redlichkeit in der Politik. Es wird interessant zu beobachten sein, ob Julia Klöckner die Botschaft versteht - ob sie in den nächsten Monaten dazu lernt. Zweifel sind angebracht. Anders als Winfried Kretschmann war sie sich noch nie zu schade, die allerleichtesten Elfmeter zu schinden, um der Volkskurve ein bisschen Zucker zu geben.
Sie hat sich fürs Burka-Verbot eingesetzt und ein Gesetz zur Integrationspflicht gefordert - und natürlich hat sie Malu Dreyer der „Erpressung“ bezichtigt, weil die nicht im Fernsehen mit der AfD diskutieren wollte und das den SWR wissen ließ - drunter geht es bei Klöckner nicht.
Beinah’ vergessen auch der Vorschlag, für jeden humanitären Flüchtlings-Euro einen Kompensations-Euro für Nicht-Flüchtlinge springen lassen zu wollen - jaja, Klöckner hat auch das einmal vorgeschlagen, lange vor SPD-Chef Sigmar Gabriel. Was also nun, Julia Klöckner, was also tun?
Ganz einfach: Gehen Sie zurück auf Los. Gehen Sie zurück nach Rheinland-Pfalz. Geben Sie heute noch Ihr Partei-Mandat zur Produktion konservativ aufgefeschter Simplifizierungen ab. Üben Sie sich in Demut, Anstand, Redlichkeit. In fünf Jahren sehen wir uns wieder.