
Die OECD will „Mehr Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“. So betitelt die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine aktuelle Studie, in der sie beklagt, dass die Erwerbsquote von Frauen in Deutschland „hinter die Erwerbsquoten in Dänemark oder Schweden zurückfällt“.
In einer von Gleichheit als höchstem Wert überzeugten Gesellschaft, kann man der Forderung nach „Partnerschaftlichkeit“ kaum widersprechen. Zumindest nicht, wenn man nicht in die Gefahr geraten will, ein Reaktionär zu sein und sich dadurch in eine argumentative No-Go-Area zu begeben. Die eigentliche Botschaft der jüngsten OECD-Studie wird aber hinter der Partnerschaftlichkeit versteckt:
Weil Frauen allzu oft nur in Teilzeit einer Erwerbsarbeit nachgingen, blieben „so auch wirtschaftliche Potenziale ungenutzt“, lässt sich OECD-Sozialexpertin Monika Queisser zitieren. Da Mütter bisher „unterdurchschnittlich“ zum Bruttoinlandsprodukt beitragen, sollen sie nicht mehr nur in Teilzeit erwerbstätig sein. Nicht die Partnerschaft von Vätern und Müttern steht also im Zentrum des Interesses, sondern die Steigerung der „wirtschaftlichen Potentiale“, vulgo: die Verfügbarkeit beider Geschlechter für die Erwerbsarbeit.
Die 1949 unter dem Namen OEEC gegründete OECD war einmal die humane Antwort der westlichen Staatengemeinschaft auf die ökonomischen Missstände, Wirtschaftskrisen und Weltkriege der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ermöglicht wurde das durch große Ökonomen wie John Maynard Keynes und Simon Kuznets, die das Bruttosozialprodukt erfunden und wirtschaftspolitische Konzepte entwickelt hatten, die für wachsenden und gerechter verteilten Wohlstand sorgen würden. Konkret hatte die OEEC zunächst vor allem den praktischen Zweck, die europäischen Empfängerländer in die Verteilung der amerikanischen Marshallplan-Hilfen einzubinden. Doch sie wollte bald mehr.
Auf die Unterstützung der Presse legte die Organisation besonderen Wert. Ein 1952 vom OEEC-Ministerrat verabschiedetes Dokument forderte die Regierungen der Mitgliedsländer auf, „die Unterstützung und Mitarbeit aller Bevölkerungsteile zu sichern, um die allgemeine Einsicht in die entscheidende Bedeutung ökonomischer Expansion zu erweitern und die aktive Mitarbeit von Industriemanagern, Arbeitern, Bauern, Finanzinstituten, Presse und breiter Öffentlichkeit mit Maßnahmen zu gewinnen, die auf den Erfolg dieser Politik ausgerichtet sind.“
Das Ziel war die Schaffung einer dynamischen Stimmung, die die bisherige Vorstellung einer statischen Volkswirtschaft ablösen würde. Es wurde erreicht. Seit den 1960er Jahren folgen Politik und Medien weithin geschlossen einem Paradigma der unbedingten Notwendigkeit und unbegrenzten Machbarkeit von Wirtschaftswachstum. Wer dazu mehr wissen will, dem sei Matthias Schmelzers aktuelles Buch „The Hegemony of Growth. The OECD and the making of the economic growth paradigm” (Cambridge, 2016) empfohlen.