Kulturmarxismus „Marx hätte seine helle Freude an den heutigen Verhältnissen“

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Diskurshoheit der Kulturmarxisten

Unter Ökonomen hat der Marxismus kaum Anhänger.  
Die Mehrheit der Ökonomen versteht sich heute als Sozialingenieure. Weil sie dem Markt nicht trauen, wollen sie ihn einhegen, ausbremsen und seine Ergebnisse korrigieren. Ordnungspolitisches Denken hat dagegen Seltenheitswert. Waren Sie schon einmal an der LSE, der London School of Economics, einer der renommiertesten Universitäten der Welt?

Nein.
Die LSE wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Mitgliedern der Fabian Society, einer Vereinigung sozialistischer Intellektueller aus der britischen Oberschicht, gegründet. Ein Bleiglasfenster im Gebäude der LSE zeigt zwei Männer, wie sie die über einem Feuer erhitzte Erdkugel mit Hämmern bearbeiten. Einer der Männer ist der Dramatiker und Marxist George Bernard Shaw, ein Mitglied der Fabian Society und Mitgründer der LSE. Das Fensterbild symbolisiert die Strategie der Kulturmarxisten. Sie wollen die Welt durch das Feuer von Krisen erweichen, um sie sodann in ihrem Sinne umzugestalten.    

Das hört sich nach Verschwörungstheorie an.
Ist es aber nicht. Nehmen Sie die Diskussionen um die Klimarettung oder die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen. Da werden gezielt Hysterien verbreitet und dystopische Szenarien entworfen, um daraus einen sofortigen Handlungsbedarf für die Politik abzuleiten. Die Forderungen der Alarmisten laufen immerzu darauf hinaus, den Markt, das Privateigentum und die Freiheit der Menschen einzuschränken und durch zentrale staatliche Planung zu ersetzen. Das Klimathema eignet sich besonders gut dafür, weil das Klima ein globales Phänomen ist. Es bietet den Kulturmarxisten die Möglichkeit, unter dem Deckmantel des Klimaschutzes den Kapitalismus auf globaler Ebene zu bekämpfen.

Noch hat der Marxismus die Gesellschaft nicht erobert.   
Aber er ist sehr weit vorangekommen. Lesen Sie das kommunistische Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Jahr 1848 und vergleichen Sie die Forderungen, die Marx und Engels dort erheben, mit der heutigen Realität. Dann erkennen Sie, wie weit der Marxismus schon vorangeschritten ist. Marx fordert in seinem Manifest, das Privateigentum, die Familie und die Nationalität aufzuheben. Das Bildungssystems und das Geldwesen will er verstaatlichen. Sähe Marx, wie heutzutage das Privateigentum etwa in der Wohnungspolitik faktisch außer Kraft gesetzt, der Zins staatlich dekretiert und die Diskussion um nationale Identitäten als reaktionäres Gedankengut beschimpft werden, er hätte seine helle Freude daran.

Warum leistet das Bürgertum keinen Widerstand?  
Das Bürgertum ist durch die Diskurshoheit der Kulturmarxisten eingeschüchtert, ideell entkernt und materiell sediert. Seine wichtigsten Institutionen, die Religion, die Kirche, die Familien, sind geschwächt oder haben sich dem neomarxistischen Zeitgeist angepasst. Der Kulturmarxismus hat das bürgerliche Bollwerk geschliffen. Marx glaubte, das Sein bestimme das Bewusstsein. Die Kulturmarxisten haben erkannt, dass Sein und Bewusstsein interdependent sind. Haben sich marxistische Ideen erst einmal im Bewusstsein der Menschen festgesetzt, ändert sich dadurch früher oder später auch das Sein, also die realen Produktionsverhältnisse. Die veränderten Fakten wiederum verändern das Bewusstsein, das Denken der Menschen.  

Können Sie das konkretisieren?
Wenn den Menschen beispielsweise immerzu erzählt wird, das Privateigentum an Mietwohnungen sei ein Instrument der Ausbeutung, lassen sich politische Maßnahmen gegen Vermieter leichter durchsetzen. Dann übernimmt der Staat den Bau von Wohnungen und irgendwann haben sich die Menschen so sehr daran gewöhnt, dass sie glauben, Wohnraum zu schaffen sei eine Aufgabe des Staates. So wie die Mehrheit heute glaubt, das Geldwesen gehöre in die Hände des Staates. Wer sich gegen den Kulturmarxismus wendet, hat es schwer. Die ideologische Hegemonie hat den Marxisten die Deutungshoheit über das Sagbare verschafft. Wer aus dem engen Korridor der politischen Korrektheit ausbricht, wird als Rechter oder Reaktionär verunglimpft und im schlimmsten Fall sozial vernichtet.



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