Lindner-Vorschlag Eine höhere Pendlerpauschale ist ökonomischer Unfug

Eine höhere Pendlerpauschale ist ökonomischer Unfug, meint unser Autor. Quelle: Imago

Christian Lindner will die Pendlerpauschale erhöhen, um steigende Spritpreise aufzufangen. Mit Marktwirtschaft hat das nichts zu tun. Fehlallokationen werden verstärkt. Ein Kommentar.

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FDP-Chef Christian Lindner prescht mit der Idee einer höheren Pendlerpauschale vor. Er will Berufstätige, die zu ihrem Arbeitsplatz pendeln, von 2023 an schon ab dem ersten Kilometer stärker entlasten. So sollen die hohen Spritpreise abgefedert werden. Da die Pauschale unabhängig vom Verkehrsmittel gelte, setze sie auch ökologische Anreize, sagt Lindner.

Der Finanzminister der Ampelkoalition argumentiert nicht schlüssig. Ökologisch wäre es, dass Auto stehen zu lassen und den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) zu nutzen. Viele Pendler haben jedoch keine Wahl, weil an ihrem Wohnort keine Bahn und kein Bus fährt. Eine höhere Pendlerpauschale für sie bringt der Umwelt rein gar nichts. Hinzu kommen all jene Pendler, die wegen der ständigen Verspätungen bei der Bahn lieber mit dem Auto fahren. Auch diese Gruppe könnte eine höhere Pauschale nicht zum Umsteigen bewegen.    

Lindners Vorschlag, die Pendlerpauschale schon ab dem ersten Kilometer zu erhöhen, ist ebenfalls praxisfern. Denn gerade bei kurzen Entfernungen zum Arbeitsplatz fällt es Berufstätigen häufig viel leichter, auf das Fahrrad oder den ÖPNV umzusteigen. Diese Gruppe von Pendlern bräuchte keine zusätzlichen finanziellen Anreize, um umweltverträglich die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitgeber zurückzulegen.   



Offenbar will die FDP ihrer Kernklientel, traditionell Autofahrer und ÖPNV-Skeptiker, etwas Gutes tun. Die letzten Umfragen für die Liberalen waren auch etwas mau. Schon der Tankrabatt zahlte auf diese Wählergruppe ein und widersprach eigentlich den marktwirtschaftlichen Prinzipien der FDP. Der Vorstoß bei der Pendlerpauschale riecht doch sehr nach Wahlkampf.

Nüchtern betrachtet ist eine höhere Pendlerpauschale ökonomischer Unfug. Jeder Cent mehr erhöht den Fehlanreiz, auf dem Weg zur Arbeit möglichst viel Zeit zu verbringen. Denn vielen Pendlern ist nicht bewusst, dass der Steuernachlass die Mehrkosten nur zum Teil abdeckt. Auch ein paar Cent obendrauf ändern daran nichts. Wer lange pendeln muss, ist gestresst und weniger leistungsfähig. Zudem muss der Staat mehr Geld für die Infrastruktur ausgeben.

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Sinnvoller wäre es, die Ursache fürs Pendeln anzugehen. Es fehlt bezahlbarer Wohnraum dort, wo die Arbeitsplätze sind. Der Staat könnte das ändern – ohne Subventionen. Kommunen müssten ausreichend Bauland ausweisen. Bauvorschriften sollten entschlackt werden. Mit weniger Regulierung für Vermieter ließen sich vorhandene Reserven wie Dachböden in bestehenden Wohnhäusern heben.

Wenn die Distanz zwischen Wohnung und Arbeitsplatz schrumpft, schwindet auch die Abhängigkeit vom Auto. Das wäre gut fürs Klima. Die CO2-Abgaben auf Benzin und Diesel könnten niedriger sein. Dann gäbe es auch weniger frustrierte Autofahrer an der Tankstelle.

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