Markus Beckedahl „Mehr Videoüberwachung schützt nicht vor Anschlägen“

Großbritannien ist das Land mit den meisten Überwachungskameras. Anschläge hat das nicht verhindert. Der netzpolitische Aktivist Markus Beckedahl fordert besser ausgerüstete Polizisten anstatt mehr Videoüberwachung.

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Markus Beckedahl. Quelle: dpa

In keinem Land gibt es mehr Videoüberwachung als in Großbritannien. Die Kriminalitätsrate ist dennoch nicht signifikant niedriger als in Ländern, die nicht so stark auf Überwachung setzen. Auch den jüngsten Anschlag, wie schon den im Juli 2005, konnten die Kameras nicht verhindert. Ist es Zeit umzudenken? Ein Gespräch mit Überwachungs-Gegner Markus Beckedahl.

WirtschaftsWoche Online: London hat sich in den vergangenen Jahren massiv abgesichert und trotzdem konnte der Anschlag nicht verhindert werden. Was heißt das?
Markus Beckedahl: Videoüberwachung soll vor Terrorismus schützen – so eine beliebte Begründung. Es ist aber so, und das zeigen auch die jüngsten Ereignisse, dass sie Anschläge nicht verhindern, sondern nur dokumentieren.

Zur Person

Die Terroristen nutzen also bewusst die Öffentlichkeit?
Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und behaupten, dass die Terroristen, deren Taten von Kameras dokumentiert werden, noch mehr zum Märtyrer zu werden. Der Attentäter von Berlin hat doch sogar noch vor Kameras geposed. Die meisten Anschläge fanden an Orten statt, wo besonders viele Kameras waren, sei es in Paris, Berlin oder jetzt London.

Wenn Videoüberwachung kein Allheilmittel ist, wie kann unsere Sicherheit dann gewährleistet werden?
Dass Geld, was man für Videoüberwachung oder andere teure Technik investierte hat, sollte lieber in das Personal gesteckt werden, die an Bahnhöfen, bei Fußballspielen oder bei anderen Ereignissen für Sicherheit sorgen. Aber gerade dort wurde in den vergangenen Jahren gespart. Straftaten können durch die Präsenz von Beamten präventiv verhindert werden.

Aber ein Teil der Gesellschaft fühlt sich mit Videoüberwachung sicherer…
… ein Teil der Gesellschaft fühlt sich damit sicher besser  - ich gehöre nicht dazu. Mich lassen Kameras eher unsicher fühlen, weil ich auf der einen Seite überwacht werde und auf der anderen Seite genau weiß, dass hier offenbar ein Kriminalitätsschwerpunkt ist, weil die Kameras sonst nicht da wären.

Sie fühlen sich freier ohne die Kameras. Kann eine verstärkte Videoüberwachung auch unsere Gesellschaft verändern?
Wir verhalten uns anders, wenn wir uns beobachtet, überwacht fühlen: Wir passen uns mehr ans, werden konformer, geben unsere Freiheit ein Stück weit auf. Denn sobald wir Kameras sehen, passen wir uns an und sind wir nicht mehr richtig frei.

Pressestimmen zu den Anschlägen von London

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