Migration So funktioniert die Bezahlkarte für geflüchtete Menschen

Ein Geflüchteter hält eine Debitcard in der Hand. Quelle: dpa

In Deutschland werden Geflüchtete künftig staatliche Leistungen über eine Bezahlkarte beziehen. Warum gibt es die Bezahlkarte und welche Kosten entstehen dadurch? Ein Überblick.

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Nach wochenlangen Diskussionen einigt dich die Ampel-Regierung auf auf einen Entwurf für eine bundesweite Rechtsgrundlage zur Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete und Asylbewerber. Künftig sollen geflüchtete Menschen mit der Bezahlkarte staatliche Leistungen beziehen. Bereits im November einigten sich die Ministerpräsidenten und Bundeskanzler Olaf Scholz auf die Änderung. Eine Arbeitsgruppe erarbeite daraufhin ein Modell mit bundeseinheitlichen Mindeststandards. 14 Bundesländer verständigten sich auf das Vergabesystem – Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen eigene Wege. So geben die bayrischen Behörden bereits seit Ende März die Karten während einer Pilotphase in vier Kommunen heraus.

Was soll die Bezahlkarte leisten? Wann wird sie eingeführt? Und wieso überhaupt? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was ist die Bezahlkarte für Asylbewerber?

Derzeit zahlen die Kommunen Asylbewerbern Bargeld aus, damit sie damit einkaufen können. Künftig sollen Menschen mit Duldungsstatus oder im Asylantragsverfahren, das mit der Bezahlkarte erledigen können – ähnlich wie mit einer EC-Karte.

von Max Haerder, Florian Kistler, Jan Lutz, Christian Ramthun, Cordula Tutt

Die Behörden überweisen das Geld an die Banken und die Karten werden mit dem Guthaben aufgeladen. Eingesetzt werden können sie im Einzelhandel und an Automaten. Zusatzfunktionen und regionale Einschränkungen seien Ländersache. Die technische Abwicklung hingegen soll bundesweit einheitlich geregelt werden.

Warum wird die Bezahlkarte eingeführt?

Die Nutzung solcher Bezahlkarten soll Schutzsuchenden die Möglichkeit nehmen, Geld aus staatlicher Unterstützung an Angehörige und Freunde im Herkunftsland zu überweisen. Die Karten sollen überall einsetzbar sein, jedoch nicht im Ausland. Überweisungen sollen gar nicht möglich sein.

„Mit der Einführung der Bezahlkarte senken wir den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität“, hatte Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz gesagt.

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Ein weiterer Grund sei die Entlastung der Behörden. Durch die Einführung der Bezahlkarten soll der Verwaltungsaufwand sinken.

In welchen Bundesländern gibt es die Bezahlkarte für Geflüchtete?

In allen 16 Bundesländern wird es künftig eine Bezahlkarte für Geflüchtete geben. Jedoch streben Bayern und Mecklenburg-Vorpommern einen Sonderweg bei dem Vergabeverfahren an. Die Mindeststandards wollen die Bundesländer übernehmen. Die konkrete Umsetzung ist in vielen Bundesländern noch unklar. Ministerien aus mehreren Ländern verwiesen in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur auf das noch laufende Ausschreibungsverfahren, das bis zum Sommer abgeschlossen sein soll.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte Anfang Februar an, die Bargeldzahlungen an Asylbewerber rascher umzusetzen und umfassender einzuschränken als andere Bundesländer. Bereits seit März wird die neue Bezahlkarte für Asylbewerber in einem Modellprojekt in vier Kommunen getestet. „Wir haben heute den Zuschlag für die Bezahlkarte für Asylbewerber erteilt, die Ausschreibung ist abgeschlossen“, sagte Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU) am Dienstag (20. Februar). Das Unternehmen Paycenter aus Freising konnte sich bei der europaweiten Ausschreibungen als Anbieter für die Karte durchsetzen.

Seit dem Migrationsgipfel ist klar: Die Bezahlkarte für Asylbewerber soll kommen. Der Unternehmer Jörg Schwitalla testet schon jetzt die ersten ihrer Art. Und er kritisiert die Beschlüsse von Bund und Ländern.
von Jan Lutz

Auf welche Standards haben sich die Bundesländer verständigt?

Als Standard haben sich die Bundesländer auf eine guthabenbasierte Karte mit Debit-Funktion verständigt. Es gibt keine Kontobindung. Überweisungen und Zahlungen im Ausland sollen mit der Karte nicht möglich sein. Ebenso kann die Karte auch nicht überzogen werden.

Es wird dennoch weiterhin einen Bargeldanteil geben, die die Behörden den Menschen auszahlen. Wie hoch der Betrag ausfällt, bestimmt jedes Bundesland selbst – ebenso wie weitere Zusatzfunktionen. Länder können so beispielsweise bestimmen, ob die Karte nur in bestimmten Regionen freigeschaltet ist. Die vier Pilot-Kommunen sind die Landkreise Fürstenfeldbruck, Traunstein, Günzburg und der kreisfreien Stadt Straubing.

Wann soll die Bezahlkarte kommen?

Einen festen Termin gibt es noch nicht. Die 14 Bundesländer planen mit einem Ausschreibungsbeginn im Sommer. Mecklenburg-Vorpommern möchte das Verfahren schneller auf den Weg bringen. Sie streben die Ausschreibung im Frühling und die Einführung im Herbst an.

Welche Kritik gibt es?

Von der Flucht vor Verfolgung oder Krieg werde sich niemand von der Bezahlkarte abhalten lassen, sagt die rechtspolitische Sprecherin der Organisation Pro Asyl, Wiebke Judith. Sie kritisiert: „In der Praxis werden so vielerorts geflüchtete Menschen noch stärker ausgegrenzt und selbst in kleinsten Alltagsentscheidungen eingeschränkt werden.“ Und auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Alabali-Radovan, warnt vor Nachteilen für Asylsuchende. Es dürfe nicht sein, dass Menschen durch Bezahlkarten in Läden als Geflüchtete identifizierbar seien.

Die Begründung, Geflüchtete würden Geld in ihre Heimatländer überweisen, hält Migrationsforscher Herbert Brücker für eine "Phantomdebatte“. Denn in den Erstaufnahmeeinrichtungen erhalten die Menschen nur ein sogenanntes Taschengeld in Höhe von 200 Euro, sagte der Experte im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Davon bliebe nicht viel übrig. Auch das Argument, dass Schlepper von diesem Geld bezahlt werden könnten, sei falsch. „Schlepper lassen sich im Voraus bezahlen, nicht im Nachhinein“, erklärt Brücker.

Wie hoch ist der Geldanspruch der Asylsuchenden?

Asylbewerbende erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In der ersten Aufnahmeeinrichtung bekommen sie ein sogenanntes Taschengeld in Höhe von 204 Euro ausgezahlt. Das ist für den persönlichen Bedarf. Bett und Mahlzeiten werden gestellt. Bei akuten Krankheiten oder bei Schwangerschaft werden sie medizinisch versorgt.

Sobald die Geflüchteten in einer Unterkunft sind, in der sie sich selbst versorgen, steht ihnen mehr Geld zur Verfügung: Alleinstehende erhalten beispielsweise 460 Euro – das liegt unter dem Bürgergeldsatz.

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Was kosten die Bezahlkarten?

Im Thüringer Landkreis Greiz werden seit Dezember in einem Modellprojekt Bezahlkarten für Geflüchtete eingesetzt. Karten des Unternehmens Givve kostet den Landkreis drei bis sechs Euro. Die monatliche Aufladung kostet einen Euro. Die Kosten sollen von den Kommunen getragen werden.

Mit Material von dpa

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