Neuer Finanzminister Lindners fragwürdiger Hochseilakt

Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, gibt Journalisten einen O-Ton nach einer Kabinettssitzung im Pressezentrum des Bundesfinanzministeriums in Berlin. Quelle: imago images

Als neuer Finanzminister begibt Christian Lindner sich direkt auf einen Hochseilakt: Er verschiebt die nichtgenutzten Coronakredite in den Energie- und Klimafonds. Es gibt Zweifel, ob das rechtens ist. Ein Kommentar.

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Ich gebe zu, der FDP-Wahlkampfslogan von 2017 ist mittlerweile ziemlich überstrapaziert und -persifliert, aber heute darf es noch ein letztes Mal sein. Denn das Motto des neuen Finanzministers lautet offenbar: Ausgeben first, Sparen second.

Er verstehe sein Ressort als „Ermöglichungsministerium“, hat Christian Lindner in seinen ersten Tagen im Amt immer wieder betont. Klingt ein bisschen sperrig, besitzt aber politkommunikativ schon eine Menge Charme. Denn die Botschaft lautet: Ich sitze nicht einfach auf der Kasse und sage zu allem und jedem nein, sondern nutze die Kraft des Geldes zur Gestaltung unseres Landes. Mehr Fortschritt wagen, will uns der FDP-Chef sagen, geht nur mit mir. Und dank mir.

Wie groß der Wille zum Fortschritt ist, wird gleich in den ersten Amtstagen deutlich. Den Nachtragshaushalt für 2021, den Lindner heute ins Kabinett eingebracht hat, kann man pragmatisch, flexibel, trickreich, heikel, clever oder opportunistisch nennen – oder gleich eine Mischung aus allem. Sicher ist: Lindner macht den Scholz. Er verschiebt wie sein Vorgänger nach 2020 ein zweites Mal ungenutzte Coronakredite in den Energie- und Klimafonds, der nun Transformationsfonds heißen wird. Nach 26 Milliarden im vergangenen Jahr kommen in diesem noch rund 60 Milliarden obendrauf. 2022 dürfte sich diese Operation mit einiger Sicherheit ein drittes Mal wiederholen.

Ein ziemlich süßer Honigtopf für alles, was die Ampel so plant, füllt sich da. Oder, martialischer gesagt: Eine fette Kriegskasse, die den schönen Nebeneffekt mit sich bringt, dass die Bundesregierung 2023 wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann. Sie hat ja üppig Schulden auf Vorrat angelegt.

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Womit wir beim Kern der Sache angelangt wären: Es gibt bereits vielerlei Zweifel, ob diese Etat-Verschiebung verfassungskonform ist. Ob sie nicht fiskalische und juristische Hochseilartistik darstellt, die vermeintlich elegant den Ausnahmezustand der Pandemie (aus-)nutzt. Die Koalition verschafft sich damit jedenfalls finanzielle Möglichkeiten, die sie bei strikterer Auslegung der Schuldenbremse nie erlangt hätte. Und Lindner wagt bei seinem ersten Rendezvous mit der Wirklichkeit gleich mal ein paar sehr gewagte Schritte.

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