
![Ein Soldat der Bundeswehr im dreifarbigen Tropentarn. Quelle: Sean Harriman, U.S. Army [Public domain], Wikimedia Commons](/images/bundeswehr-soldat-_provinz_/13502662/3-format10620.gif)

![Multicam USA Quelle: Cooper T. Cash [Public domain], Wikimedia Commons](/images/10th_mountain_multicam/13502476/4-format10620.gif)

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Bundeswehr personell verstärken. Schon seit einiger Zeit waren die Rufe nach mehr Soldaten lauter geworden. André Wüstner, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, also der Interessenvertretung der deutschen Soldaten, sagte kürzlich, die Truppe sei „seit Ende 2014 im roten Bereich“.
Schon im März gab es unbestätigte Meldungen über mehrere Tausend zusätzliche Soldaten. Die Süddeutsche Zeitung veröffentlicht nun im Voraus Details über die Planungen für den ersten „Aufwuchs“, die von der Leyen am (morgigen) Dienstag offiziell vorstellen will. Demnach haben die Planer des Verteidigungsministeriums einen Bedarf von 14.300 zusätzlichen militärischen Dienstposten bis 2023 errechnet – fast so viele, wie der Bundeswehrverband fordert.
Allerdings glaubt man im Ministerium nicht, alle diese Stellen schaffen zu können - weder glaubt man die Rekruten hierfür finden zu können, noch ist deren Finanzierung zu leisten. Das angepeilte Ziel sind zunächst etwa 6900 zusätzliche Soldaten und 4400 zivile Mitarbeiter. Schon jetzt schafft es die Bundeswehr aber nicht, ihre Sollstärke Soldaten zu erreichen, weil nach der Abschaffung der Wehrpflicht freiwillige Rekruten fehlen. "Ich plädiere für eine selbstbewusste Frauenoffensive der Bundeswehr", sagte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, in einem Zeitungsinterview. "Sonst stirbt sie aus", warnte er.
Braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Die Bundesregierung hat bisher nicht vor, die Finanzmittel für die Bundeswehr wesentlich aufzustocken. Im Haushaltsplan für 2015 gehört der Verteidigungsetat zu den wenigen Posten, bei denen gekürzt wurde - wenn auch nur um 0,5 Prozent. Bis 2018 ist eine leichte Steigerung von 32,3 auf 36,86 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr wird jetzt der Ruf nach einer deutlich stärkeren Erhöhung lauter. Was spricht dafür und was dagegen?
Quelle: dpa
Deutschland will mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Bei den Verteidigungsausgaben liegt es aber weit hinter den wichtigsten Nato-Partnern zurück. Während der Bundesregierung Armee und Ausrüstung nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wert sind, investieren die USA 4,4 Prozent in ihr Militär, Großbritannien 2,4 Prozent und Frankreich 1,9 Prozent. Erklärtes Nato-Ziel ist es, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Das bekräftigte das Bündnis auch bei seinem Gipfeltreffen in Wales Anfang September - mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zumindest bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt es eine Finanzlücke. Die Mittel dafür wurden 2010 gekürzt. Militärs beklagen, dass die Bundeswehr heute noch darunter zu leiden hat.
Auf die Bundeswehr kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu. Die Nato will ihre Reaktionsfähigkeit im Krisenfall verbessern. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus wird möglicherweise noch Jahre dauern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vereinten Nationen auch ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Blauhelmeinsätzen in Aussicht gestellt. Das alles geht nicht ohne modernes, robustes und gut gepflegtes Material.
Die Bundeswehrreform wurde nach dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ entworfen. Das heißt: Die Truppe soll alles können und braucht dafür in jedem Bereich die entsprechende Ausrüstung. Das kostet. Bleibt man bei diesem Prinzip, muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Rüstungsproblem der Bundeswehr ist nicht in erster Linie ein finanzielles Problem, sondern ein Managementproblem. Das macht sich schon daran bemerkbar, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro des Verteidigungsetats gar nicht ausgeschöpft wurden.
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ widerspricht den Bestrebungen von Nato und EU, innerhalb der Bündnisse Aufgaben zu teilen. Diese Bemühungen kommen bisher allerdings nur schleppend voran. Man könnte sich stärker dafür einsetzen, um zu einem effizienteren Rüstungssektor zu kommen.
Je mehr verschiedene Militärgeräte es gibt und je geringer die Stückzahlen, desto größer ist auch der Wartungs-, Instandhaltungs- und Ausbildungsaufwand. Deswegen könnte eine stärkere Spezialisierung der Bundeswehr Kosten sparen.
Bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter kommt es regelmäßig zu Verzögerungen und Kostensteigerungen, denen man durch ein besseres Vertragsmanagement entgegenwirken kann. Nur einige Beispiele: Der Kampfhubschrauber „Tiger“ sollte im Dezember 2002 ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010. Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Die Kosten für die Fregatte 125 haben sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Der Preis für ein Transportflugzeug A400M stieg wegen einer nachträglichen Reduzierung der Stückzahl von 124,79 auf 175,31 Millionen Euro.
Die Aufwuchs-Maßnahme der Bundeswehr bedeutet zusammen mit der Aufstockung des Verteidigungsetats – der soll laut Kabinettsbeschluss bis 2020 von derzeit 34,3 auf 39,2 Milliarden Euro wachsen – nichts anderes als eine grundlegende Kehrtwende der Verteidigungspolitik. Seit dem Ende des Kalten Krieges, also etwa 25 Jahre lang, ist die Bundeswehr geschrumpft von damals fast 600 000 Soldaten auf heute de facto knapp 177.000. Die offizielle Obergrenze liegt bislang bei 185.000 Soldaten. Nach von der Leyens neuem Plan soll es künftig keine generelle Obergrenze mehr geben.
Die so genannte „Friedensdividende“ kann sich die Bundesrepublik nun nicht mehr in bisherigem Umfang leisten. Durch Auslandseinsätze und die jüngsten Verlegungen von NATO-Verbänden in die baltischen Staaten hat die Bundeswehr nach Aussagen Wüstners die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bereits überschritten: „In personeller Hinsicht ist es bereits fünf nach zwölf“.





Bei der Marine ist nach Aussagen Bartels die Belastung „eindeutig jenseits des Limits“. Viele Dienstposten seien gar nicht besetzt, zudem würden die materiellen Reserven der Bundeswehr nicht zu den derzeitigen Anforderungen passen. „Der Marine fehlen sechs große Schiffe, weil die Außerdienststellung alter Fregatten nicht mit der Indienststellung neuer Fregatten harmonisiert wurde“, kritisierte Bartels. Die Marinesoldaten würden zurzeit doppelt und dreifach belastet, weil sich ein Einsatz nahtlos an den anderen reihe, fuhr Bartels fort. Die Besatzungen würden enorme Einsatzbereitschaft zeigen, Einsätze vor der Küste des Libanons und bei der Flüchtlingsrettung im Mittelmeer fahren, Piraten unter Druck setzen und neue Aufgaben in der Ägäis übernehmen.
Auch beim Heer ist die Ausrüstung ebenso überlastet wie die Soldaten. Die Bundeswehr hat längst nicht genug einsatzfähiges Großmaterial und schwere Waffen für alle Einheiten. Deutlich wurde das kürzlich, als die Bundeswehr für ein Panzergrenadierbataillon, das im Rahmen der NATO sofort einsatzbereit sein soll, aus der gesamten Bundeswehr einsatzbereite Schützenpanzer zusammenkratzen musste.
In den vergangenen Jahren hielt man solche Zustände angesichts fehlender Bedrohungslage für hinnehmbar – Material und Waffen mussten in erster Linie für die jeweils wenigen Tausend Soldaten im Auslandseinsatz wirklich einsatzfähig sein. Ein Panzergrenadierbataillon hat daher de facto eben nicht seine komplette Ausstattung an Schützenpanzern im Kasernenhof stehen, sondern allenfalls einige Exemplare zu Ausbildungszwecken. Das hat sich nicht zuletzt durch die wachsende Anspannung im Verhältnis zu Russland geändert. Die Umsteuerung der Rüstungsbeschaffung zu einer Vollausstattung hat, so heißt es, inzwischen begonnen.