Der Bundeswehrverband fordert eine Vergrößerung der Truppe um 15.000 Soldaten und 4000 Zivilisten. „Wir sind seit Ende 2014 im roten Bereich“, mahnte Verbandschef André Wüstner in der „Rheinischen Post“ (Samstag). Am kommenden Dienstag stellt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Verteidigungsexperten der Koalitionsfraktionen ihr Konzept zur Truppenverstärkung vor.
Sie hat bereits vor einer Woche im Bundestag angekündigt, dass es keine starre Obergrenze für die Truppenstärke mehr geben wird. „Auch hier ist eine Trendwende nötig“, sagte sie. Zahlen nannte sie aber noch nicht. Nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland will sie zunächst 7000 neue Stellen schaffen.
Seit der Wiedervereinigung ist die Bundeswehr von damals fast 600.000 Soldaten auf heute 177.000 geschrumpft. Die Obergrenze liegt bei 185.000 Soldaten. Diese soll es künftig nicht mehr geben. Von der Leyen will flexibel auf die Anforderungen an die Bundeswehr reagieren können.
Braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Die Bundesregierung hat bisher nicht vor, die Finanzmittel für die Bundeswehr wesentlich aufzustocken. Im Haushaltsplan für 2015 gehört der Verteidigungsetat zu den wenigen Posten, bei denen gekürzt wurde - wenn auch nur um 0,5 Prozent. Bis 2018 ist eine leichte Steigerung von 32,3 auf 36,86 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr wird jetzt der Ruf nach einer deutlich stärkeren Erhöhung lauter. Was spricht dafür und was dagegen?
Quelle: dpa
Deutschland will mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Bei den Verteidigungsausgaben liegt es aber weit hinter den wichtigsten Nato-Partnern zurück. Während der Bundesregierung Armee und Ausrüstung nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wert sind, investieren die USA 4,4 Prozent in ihr Militär, Großbritannien 2,4 Prozent und Frankreich 1,9 Prozent. Erklärtes Nato-Ziel ist es, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Das bekräftigte das Bündnis auch bei seinem Gipfeltreffen in Wales Anfang September - mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zumindest bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt es eine Finanzlücke. Die Mittel dafür wurden 2010 gekürzt. Militärs beklagen, dass die Bundeswehr heute noch darunter zu leiden hat.
Auf die Bundeswehr kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu. Die Nato will ihre Reaktionsfähigkeit im Krisenfall verbessern. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus wird möglicherweise noch Jahre dauern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vereinten Nationen auch ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Blauhelmeinsätzen in Aussicht gestellt. Das alles geht nicht ohne modernes, robustes und gut gepflegtes Material.
Die Bundeswehrreform wurde nach dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ entworfen. Das heißt: Die Truppe soll alles können und braucht dafür in jedem Bereich die entsprechende Ausrüstung. Das kostet. Bleibt man bei diesem Prinzip, muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Rüstungsproblem der Bundeswehr ist nicht in erster Linie ein finanzielles Problem, sondern ein Managementproblem. Das macht sich schon daran bemerkbar, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro des Verteidigungsetats gar nicht ausgeschöpft wurden.
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ widerspricht den Bestrebungen von Nato und EU, innerhalb der Bündnisse Aufgaben zu teilen. Diese Bemühungen kommen bisher allerdings nur schleppend voran. Man könnte sich stärker dafür einsetzen, um zu einem effizienteren Rüstungssektor zu kommen.
Je mehr verschiedene Militärgeräte es gibt und je geringer die Stückzahlen, desto größer ist auch der Wartungs-, Instandhaltungs- und Ausbildungsaufwand. Deswegen könnte eine stärkere Spezialisierung der Bundeswehr Kosten sparen.
Bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter kommt es regelmäßig zu Verzögerungen und Kostensteigerungen, denen man durch ein besseres Vertragsmanagement entgegenwirken kann. Nur einige Beispiele: Der Kampfhubschrauber „Tiger“ sollte im Dezember 2002 ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010. Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Die Kosten für die Fregatte 125 haben sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Der Preis für ein Transportflugzeug A400M stieg wegen einer nachträglichen Reduzierung der Stückzahl von 124,79 auf 175,31 Millionen Euro.
Wüstner sagte, die Aufstockung müsse so schnell wie möglich beschlossen werden. „In personeller Hinsicht ist es bereits fünf nach zwölf“, sagte er. Von den 177.000 Soldaten seien nur 135.000 verfügbar, weil die anderen sich in Aus- und Weiterbildung befänden. Dies sei eine „Schockzahl“. Von den Koalitionsexperten erhielt von der Leyen Unterstützung. Das sei die „richtige Antwort, um flexibel auf veränderte Sicherheitslagen reagieren zu können“, sagte der Verteidigungsexperte der Union, Henning Otte, dem Redaktionsnetzwerk. Sein SPD-Kollege Rainer Arnold nannte eine Truppenverstärkung „unabdingbar“.