Politikberater Spreng "Martin Schulz hat keine Autorität in der SPD"

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"Christian Lindner der FDP geschadet"

Es gibt keine Nachfolgedebatte um die Kanzlerin. Warum eigentlich nicht?
Weil es keinen geborenen Nachfolger gibt. Gäbe es den, hätten wir eine andere Lage. Es gibt nur Nachfolger aus der dritten Reihe – von Jens Spahn über Julia Klöckner bis Annegret Kramp-Karrenbauer. Es gibt in der CDU keine Figur, die sich für die Nachfolge anbietet und die der Partei zutraut, stärker als Merkel zu sein. Merkel lebt zu einem Teil von der Schwäche ihrer möglichen Nachfolger.

Peter Altmaier hat offenbar Gefallen am Job des Finanzministers gefunden. SPD-Chef Schulz reklamiert das Haus aber für seine Partei. Wie mächtig wird der künftige Finanzminister?
Wenn der Finanzminister von der Union kommt, wird es ein Gefolgsmann der Kanzlerin sein. Peter Altmaier ist wahrscheinlich der engste Vertraute, den Merkel hat. Wenn es jemand von der SPD wird, wäre es ein Veto-Ministerium und hätte starken Einfluss auf die europäischen Finanzen. Wenn es zu einer großen Koalition käme, wäre das Finanzministerium das stärkste Druckmittel der SPD.

Die FDP hat viele in der Wirtschaft verärgert als sie die Jamaika-Verhandlungen scheitern ließ. Kann die Union jetzt wieder zur Partei des wirtschaftlichen Sachverstandes werden?
Das muss die Union zumindest versuchen. Die FDP hat durch den Jamaika-Abbruch Terrain verloren und einen Rückschlag erlitten – keine strategische Großtat von Christian Lindner. Im Gegenteil: Er hat damit der FDP geschadet. Die Wirtschaft hatte daraufgesetzt, dass Lindner das Schlimmste in einer Jamaika-Koalition verhindert. Deswegen ist die Wirtschaft so sauer.

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Lindner kann sich erneute Jamaika-Verhandlungen im Falle von Neuwahlen vorstellen. Was halten Sie von dieser Strategie?
Langsam wird es albern. Entweder kann man sich Jamaika vorstellen oder eben nicht. Christian Lindner hat noch vor kurzem seine Generalsekretärin und seinen Vize zurückgepfiffen als die über erneute Jamaika-Verhandlungen nachgedacht haben. Jetzt bringt er neue Verhandlungen selbst nach Neuwahlen ins Gespräch. Lindner schlingert und weiß nicht, was er will. Das ist bitter, denn eine Jamaika-Koalition hätte mit den beiden Wahlgewinnern FDP und Grüne eine Zukunftsorientierung gehabt.

Können Sie einem Neuwahl-Szenario etwas abgewinnen?
Wenn das zu klaren Verhältnissen führen würde, dann ja. Stand heute würden sich ein paar Prozente verschieben, aber im Großen und Ganzen hätten wir ein ähnliches Ergebnis. Wir würden also nur Neuwahlen abhalten, damit Christian Lindner nochmal verhandelt. Das wäre ein ziemlich hoher Preis.

In den großen Fragen regiert seit zwölf Jahren de facto eine große Koalition, auch wenn die SPD zeitweilig nicht in der Regierung war. Sollten sich Union und SPD erneut zusammenraufen, stärkt das dann das die AfD weiter?
Nicht zwingend. Schon die alte große Koalition hatte ihre Flüchtlingspolitik massiv verändert. Aus dem Thema geht langsam die Luft raus, zumal wir dieses Jahr nicht mal die CSU-Obergrenze von 200.000 Asylbewerbern erreichen. Und die AfD hat bisher kein anderes Thema anzubieten, außer Islamkritik. Wenn die große Koalition also tatsächlich etwas für die Menschen bewirken würde, wird die AfD nicht stärker, sondern eher schwächer.

Aber dafür bräuchte Schwarz-Rot erstmal eine gemeinsame Idee.

Das ist das große Problem. Martin Schulz weiß nicht, ob er regieren will und Angela Merkel nicht wofür. Das ist eine unheilvolle Konstellation. Uns droht eine Gar-Nix-Koalition.

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