Prozedere wird nun geändert 115.000 Arbeitslose nicht erfasst: Wie konnte das passieren?

Die Bundesagentur für Arbeit hat Probleme, den Status ihrer

Der Bundesrechnungshof hat Alarm geschlagen: Mehr als 100.000 Arbeitslose sollen nicht als solche gezählt worden sein. Nun gibt es Konsequenzen für die Jobcenter. Was war da los?

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Für die Bundesagentur für Arbeit (BA) war es der Super-Gau: Im Februar wurde bekannt, dass hunderttausende Menschen in der BA-Statistik mit falschem Status geführt wurden. Allein 115.000 Arbeitslose waren demnach fälschlicherweise gar nicht als solche erfasst.

Diese Zahlen, die auch noch ausgerechnet auf einer Untersuchung des Bundesrechnungshofes fußten, gossen reichlich Wasser auf die Mühlen der zahlreichen BA-Kritiker. An den Rändern des politischen Spektrums sind sich viele von der Linken bis zur AfD ohnehin einig, dass die Arbeitsagentur bei ihren Zahlen trickst. Und dann das.

Wobei Trickserei es freilich nicht richtig trifft, was sich auch die BA bemüht zu betonen. „Der Bundesrechnungshof geht in seinem Berichtsentwurf an keiner Stelle davon aus, dass es sich um bewusste Manipulation oder systematische Fehler handeln könnte“, heißt es in einer Presseerklärung.

Mit einer Milliardensumme könnte Arbeitslosen zusätzlich geholfen werden, um sie fit zu machen für neue Jobs. Doch große Teile der bereitstehenden Gelder werden nicht genutzt.

Doch wie lassen sich die massiven Erhebungsfehler dann erklären? „Dazu muss man wissen, dass alle Daten im Jobcenter per Hand erfasst werden“, sagt Susanne Eikemeier, Pressesprecherin der BA. Die Vermittler in der Arbeitsagentur dokumentieren also alle persönlichen Informationen sowie geplante Förderungen per Hand.

Dann werden die Daten in den Computer übernommen. Das kann in Einzelfällen zu Fehlern führen, vielen Fehlern – schließlich, so gibt Eikemeier zu bedenken, arbeiteten 20.000 Mitarbeiter in Jobcentern und kümmerten sich dort um etwa drei Millionen Menschen.

Hinzu kommt der Aspekt der Zeitverzögerung: Der Eintrag eines „Kunden“ der Arbeitsagentur, ob er nun arbeitslos oder arbeitssuchend ist, wird nur nach einem persönlichen Beratungstermin aktualisiert. Selbst wenn er weiß, dass ein Kunde nicht mehr an einer Fortbildung teilnimmt, darf ein Mitarbeiter dessen Status nicht eigenmächtig von arbeitssuchend auf arbeitslos ändern. „Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass eine Arbeitslos-Meldung nur persönlich erfolgen kann“, erklärt dazu die BA.

Künftig sollen solche Fehler möglichst nicht mehr vorkommen. Das sieht zumindest eine Weisung vor, die dieser Tage in Kraft getreten ist. Angaben der Jobcenter sollen ab jetzt jeden Monat überprüft werden. Fallen dabei Unstimmigkeiten auf, werden die Daten korrigiert. Zudem will die BA stärker auf Digitalisierung setzen und ihre „IT-Systeme auf den Prüfstand stellen“, wie Eikemeier erklärt.

Ohnehin habe die offizielle Arbeitslosenstatistik aber nie ein falsches Bild der Arbeitslosenzahlen vermittelt, betont Eikemeier: „Die Daten zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit sind valide und zuverlässig. Sie beschreiben genau die Situation am deutschen Arbeitsmarkt, wie sie uns zum Stichtag gemeldet war.“

Allein: Nicht jedem ist klar, was die Statistik genau erfasst. Selbst dann, wenn sie korrekt arbeitet, bildet die gängige Statistik nur die arbeitssuchende Bevölkerung ab. Wer hingegen an einer Qualifizierungsmaßnahme der BA teilnimmt oder länger krank ist, wird hier nicht erfasst. Dadurch kommen tatsächlich deutlich weniger Menschen vor, als in Wirklichkeit ohne Arbeit sind. Es gibt noch eine zweite Statistik, die auch diese Gruppen erfasst und damit ein deutlich umfangreicheres Bild zeichnet: die Unterbeschäftigungs-Statistik. Die kennt jedoch kaum jemand.

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