Sozialversicherung Arbeitsagentur schwimmt im Geld

Der Haushalt der Bundesagentur für Arbeit lässt Spielraum für eine Beitragssenkung. Doch die Jamaika-Unterhändler zögern noch.

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Sprudelnde Beitragseinnahmen dank des Beschäftigungsbooms. Quelle: dpa

Berlin In Berlin ringen die Unterhändler für eine Jamaika-Koalition noch, wie sie die Bürger am besten finanziell entlasten können. Zuletzt haben sich Union, FDP und Grüne dabei vor allem auf den Soli konzentriert. Entlastungsspielraum gibt es aber auch bei den Sozialbeiträgen. So hat der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU) bereits entschieden, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung im kommenden Jahr um 0,1 Prozentpunkte auf 1,0 Prozent gesenkt wird. Und auch beim Arbeitslosenversicherungsbeitrag gibt es Luft nach unten. Denn die Bundesagentur für Arbeit (BA) schwimmt im Geld.

Der Haushalt für das kommende Jahr, den der Verwaltungsrat der Nürnberger Behörde am Freitag beschlossen hat, sieht einen Überschuss von rund 2,5 Milliarden Euro vor. Dank der guten Arbeitsmarktlage stehen den Ausgaben von 36,4 Milliarden Euro 39 Milliarden Euro an Einnahmen gegenüber. In den vergangenen Jahren fielen die Überschüsse aber stets noch deutlich höher aus als im Etatentwurf vorgesehen. Nach Prognosen des Verwaltungsrats werden die Rücklagen der Behörde deshalb schon 2019 die magische Schwelle von 20 Milliarden Euro durchstoßen. Diese Summe halten Arbeitsmarktexperten für mindestens erforderlich, um Wirtschaftskrisen auf dem Arbeitsmarkt abfedern zu können. Infolge der Rezession 2009 hatte die BA Rücklagen von 17 Milliarden Euro und zusätzlich noch einen Bundeszuschuss aufgebraucht.

Bei den Parteien, die derzeit über eine Jamaika-Koalition verhandeln, werden deshalb nun die Rufe nach einer Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags von derzeit drei Prozent des Bruttolohns lauter. „Die Bundesagentur für Arbeit ist keine Sparkasse, die Geld bunkert“, sagte CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann diese Woche bei einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen des Handelsblatt-Wirtschaftsclubs. Deshalb sollte der gesamte Spielraum einer Senkung um 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte genutzt werden.

„Mit einer Senkung des Beitrags etwa in der Arbeitslosenversicherung könnten gerade kleinere und mittlere Einkommen entlastet werden“, betonte auch FDP-Wirtschaftsexperte Michael Theurer. Bei nahezu Vollbeschäftigung und vollen Kassen der BA sei eine Beitragssenkung fällig. Die fünf Wirtschaftsweisen hatten sich in ihrem Jahresgutachten gerade für eine Absenkung von 3,0 auf 2,5 Prozent ausgesprochen.

Die Jamaika-Unterhändler haben sich bisher nur auf das gemeinsame Ziel einer „Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge“ verständigt. Das nachfolgende „unter 40 Prozent“ steht im Sondierungspapier noch in eckigen Klammern. Das bedeutet, dass sich die vier Parteien hier noch nicht einig sind. Vor allem die Arbeitgeber pochen darauf, diese Marke auf jeden Fall zu halten, um den Faktor Arbeit in Deutschland nicht noch weiter zu verteuern.

Eine Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags würde auch die Arbeitgeber entlasten, die die Hälfte des Beitrags zahlen. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Gesamtbeitragseinnahmen auf rund 33 Milliarden Euro.  Eine Beitragssenkung um 0,1 Prozentpunkte würde die Beitragszahler um rund 1,1 Milliarden Euro entlasten.

Allerdings kommen auf die Bundesagentur für Arbeit auch neue Aufgaben zu, etwa wenn es darum geht, Beschäftigte fit zu machen für das digitale Zeitalter. So haben sich die Jamaika-Unterhändler darauf verständigt, die „nachholende Qualifizierung“ auszubauen und sich intensiver um junge Erwachsene ohne Schul- und Ausbildungsabschluss zu kümmern. „Qualifizierung ist ein, wenn nicht der entscheidende Schlüssel, um die noch nicht absehbaren Entwicklungen und Folgen der Digitalisierung in der Arbeitswelt anzupacken“, sagte die Vorsitzende des BA-Verwaltungsrates, DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Deshalb liege das Budget für diese Aufgaben weiter auf hohem Niveau.

1,7 Milliarden Euro können im nächsten Jahr für die berufliche Weiterbildung ausgegeben werden. Leicht erhöht hat der Verwaltungsrat die Mittel für die Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben.  Hier stehen jetzt 2,5 Milliarden Euro bereit, 100 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Für die gesamte Arbeitsförderung veranschlagt der Verwaltungsrat 9,8 Milliarden Euro.  Sparen kann die Nürnberger Behörde beim Arbeitslosengeld. Wegen der guten konjunkturellen Lage sind dafür im Haushalt 14,7 Milliarden Euro vorgesehen, 900 Millionen Euro weniger als im Vorjahr.

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