Streit in der Ampelkoalition „Alle wissen: Ein Gesetz kann nicht in den nächsten zwei Monaten kommen“

Aral, Shell und BP: Kartellrecht in der Mineralölbranche. Quelle: imago images

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge über Kriegsdisziplin in der Koalition, die Schwäche des Kartellrechts und eine Zerschlagung marktbeherrschender Unternehmen – auch in der Digitalwirtschaft. 

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WirtschaftsWoche: Frau Dröge, die Ampelkoalition hat zwei milliardenteure Entlastungspakete an die Bevölkerung geschickt. Was bei den Leuten ankommt, vor allem vom Tankrabatt, löst nicht gerade Begeisterung aus. Was ist da schiefgegangen?

Katharina Dröge: Wir haben in einer Krise schnell und gemeinschaftlich gehandelt und viele Dinge des zweiten Pakets kommen grade erst bei den Menschen an. Die Energiepauschale von 300 Euro ist wichtig für alle, die unter hohen Energie- und Lebensmittelpreisen leiden. Das Neun-Euro-Ticket wird sehr stark nachgefragt und verursacht bei vielen gute Laune. Die Senkung der Mineralölsteuer ist umstritten. Ökonomen haben aber auch vorher schon gewarnt, dass die nicht vollständig an die Autofahrer weitergegeben werden würde. Das ist in einem vermachteten Markt wie bei Mineralöl nicht überraschend.

Ist der Tankrabatt ein Rohrkrepierer?
Wir Grünen waren hier immer sehr verhalten und kritisch. Ein Teil davon kommt aber schon bei den Menschen an.

Katharina Dröge Quelle: imago images

Kann ein schärferes Kartellrecht auf die Schnelle was richten?
Wir Grünen sind uns mit dem Chef des Kartellamtes, Andreas Mundt, einig, dass bei geltendem Recht kurzfristig wenig getan werden kann. Das Kartellamt braucht aber in Zukunft andere Eingriffsmöglichkeiten. Dafür hat der Bundeswirtschaftsminister nun Vorschläge gemacht. Ein Gesetz kann aber nicht in den nächsten zwei Monaten kommen, das wissen alle Beteiligten. In Zukunft muss das Kartellamt unmittelbarer handeln können, wenn es in einem Sektor überhöhte Preise bei einer marktbeherrschenden Praxis feststellt. Das kann Gewinnabschöpfung bedeuten. Solche Kartellstrafen müssen erleichtert werden. Es geht aber auch darum, als Ultima Ratio künftig unabhängig von Missbrauch Unternehmen zu entflechten, wenn sie marktbeherrschend sind. 

Zur Person

Welche Märkte und Branchen würde das noch treffen?
Das muss für alle Branchen gelten. Eine Vermachtung, also die Konzentration von Marktmacht bei einzelnen oder wenigen, haben wir auch bei Digitalkonzernen gesehen. Das Kartellamt hat zum Beispiel die Plattformen Amazon, Google und Facebook im Blick. Hier hat sich schon etwas durch Gesetze aus früheren Wahlperioden bewegt. Aber das Kartellamt braucht noch andere Handlungsmöglichkeiten. Wir sehen erhebliche Nachteile für Konsumenten und für andere Händler, die auf diesen Plattformen sind.

Was würde sich mit schärferen Kartellregeln für Internetkonzerne ändern?
Es geht grundsätzlich zum Beispiel darum, ob Plattformen ihre eigenen Produkte privilegiert gegenüber anderen darstellen dürfen. Das benachteiligt andere Unternehmen und schränkt den Wettbewerb auf einer Plattform ein. In letzter Instanz geht es bei extremer Marktmacht auch um eine Entflechtung unabhängig von einem nachgewiesenen Missbrauch der Marktmacht. Das heißt, dass bestimmte Sparten voneinander getrennt würden – zum Beispiel Facebook und WhatsApp. Das wäre ein neuer Tatbestand, der nach dem Vorschlag von Robert Habeck ins Kartellrecht aufgenommen würde. Wir Grünen haben immer über eine solche Entflechtung nachgedacht. So etwas ist aber auch eine Frage des europäischen Kartellrechts.

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Trotz deutlicher Meinungsunterschiede gehen die Koalitionsleute pfleglich miteinander um. Ist das dem Regieren in Kriegszeiten geschuldet?
Die aktuelle Lage fordert uns alle besonders heraus. Die Menschen erwarten in einer derart unsicheren Zeit zu Recht, dass wir in der Politik  zusammenarbeiten. Das ist auch Anspruch bei uns allen. Wir sind drei Parteien, die von sehr unterschiedlichen Standpunkten kommen. Trotzdem ist es uns in vielen Fragen gelungen, zu Kompromissen zu kommen. Dass das trotz einer Dreierkonstellation möglich ist, hätten viele am Anfang nicht gedacht.  

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