Steigende Öl- und Spritpreise Warum das Kartellrecht die Benzinpreise in den USA nicht senken wird

Hohe Benzinpreise sorgen nicht nur in New York für Frust. Biden hofft auf das Eingreifen der Antitrust.Behörden Quelle: dpa

Die Demokraten hoffen, die historisch hohen Spritpreise mit Hilfe der Antitrust-Behörden zu senken. Doch die Erfolgsaussichten sind gering.

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Joe Biden hielt sich nicht mit Höflichkeitsfloskeln auf, als er sich im November an Lina Khan wendete, die Vorsitzende der Federal Trade Commission (FTC). „Ich schreibe, um Sie auf die wachsende Anzahl an Belegen hinzuweisen, dass Öl- und Gasunternehmen Verhaltensweisen an den Tag legen, die den Konsumenten schaden“, so der US-Präsident in einem Brief an die wichtigste Kartellwächterin der Vereinigten Staaten. Trotz sinkender Ölpreise und Kosten für die Industrie seien die Benzinpreise weiterhin hoch, heißt es weiter in dem Schreiben. Die FTC habe „die Macht festzustellen, ob illegales Verhalten Familien an der Zapfsäule koste“, so Biden. „Ich denke, Sie sollten das sofort tun.“

Mehr als ein halbes Jahr nachdem Biden diesen Brief abgeschickt hat, ist die Situation eine andere. Im November lag der Ölpreis im Schnitt bei rund 81 Dollar pro Barrel. Heute sind es rund 120 Dollar. Nicht nur deshalb ist das Problem für den US-Präsident mittlerweile noch drängender.

Die Gallone Benzin, vor einem guten halben Jahr mit rund 3,40 Dollar schon verhältnismäßig teuer, kostet den durchschnittlichen US-Amerikaner heute mehr als fünf Dollar – ein historischer Höchststand, der die Administration und ihre Verbündeten im Kongress vor den wichtigen Zwischenwahlen im Herbst zunehmend nervös macht. Mangels Alternativen setzen sie ihre Hoffnungen deswegen einmal mehr auf die amerikanischen Kartellwächter. Doch die Aussichten auf Erfolg sind überschaubar.

Notwendig war Bidens Hinweis an Khan nicht. Bereits im vergangenen September hatte sie mehrere Schritte angekündigt, um den steigenden Benzinpreisen etwas entgegenzustellen. Damals nahm sie vor allem Maßnahmen in den Blick, die eine weitere Marktkonsolidierung verhindern sollten. Ihre Behörde werde weitere Zusammenschlüsse nach Möglichkeit unterbinden. Auch kündigte sie eine Untersuchung in die Preisentwicklung an. Den erwünschten Effekt hatten diese Maßnahmen – bislang – offensichtlich nicht. Trotzdem können sie zumindest langfristig Effekte haben.

„Marktteilnehmer im Bereich Öl und Gas haben sich mehrere Jahrzehnte unter der Wahrnehmungsgrenze der Kartellbehörden bewegt“, schriebt die Fachkanzlei Sheppard Mullin in einem Blogeintrag zum neuen Kurs der FTC. Doch diese Zeiten seien vorbei. Man rate jetzt dringend zu rechtlicher Beratung, bevor man potenzielle Transaktionen anstrebe.

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Kommt die Untersuchung der FTC jedoch zu dem Ergebnis, dass Raffinerien, Großhändler und Tankstellenketten sich abgesprochen haben, um die Preise künstlich hoch zu halten, dann kann es für die Ölindustrie empfindlich werden – zumindest theoretisch. Die Kartellbehörde könnte, genau wie der Kongress oder das Justizministerium, Verfahren gegen Ölmultis anstreben, sollten sie ein illegales Monopol gebildet haben. Dies könnte eine ganze Reihe an Strafmaßnahmen nach sich ziehen – von hohen Geldstrafen bis hin zur Zerschlagung.

Beispiellos wäre ein solcher Vorgang nicht. Schon 1911 verurteilte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten das von John D. Rockefeller gegründete Unternehmen Standard Oil wegen der Bildung eines Monopols. Der Konzern wurde in 34 Teile aufgespalten, von denen sich allerdings viele erneut zusammenschlossen. Exxon Mobil ist der bekannteste Erbe des ehemaligen Marktbeherrschers.

Die Möglichkeit eines solch robusten Vorgehens besteht weiterhin. Allerdings erwartet es kaum ein Beobachter. Wenn es um die Zerschlagung von Konzernen geht, dann haben die Kartellbekämpfer derzeit wohl eher die Tech-Giganten im Blick. Große Kartellverfahren sind in der jüngeren Vergangenheit ohnehin die Ausnahme. Der letzte wirklich prominente Prozess war das Vorgehen gegen Microsoft – in den 1990er-Jahren.

Abgesehen davon ist es ohnehin nicht leicht, den Ölmultis Missbrauch nachzuweisen. Als etwa nach dem verheerenden Wirbelsturm Katrina im Jahr 2005 die Benzinpreise ebenfalls durch die Decke gingen, ermittelte die FTC ebenfalls, ob Missbrauch vorliege. Sie kam damals zu dem Ergebnis, dass die gestiegenen Kosten die Folge normaler Marktentwicklungen seien. Auch in der aktuellen Situation dürfte es schwierig werden. „Wenn das Angebot sinkt und die Nachfrage gleich bleibt, dann steigen die Preise“, so Fiona Scott Morton, Antitrust-Expertin an der Yale School of Management. „Es ist derzeit jedoch schwer, die Preise über eine Erhöhung des Angebots zu senken, weil schlicht nicht genug Angebot vorhanden ist.“

Trotzdem bleibt bei der Präsidentenpartei die Hoffnung, die Kartellwächter könnten die Benzinpreise irgendwie von ihrem historischen Hoch herunterholen. Auch deshalb schickten sich die Demokraten im Kongress jüngst an, mit neuen Gesetzen gegen die Öl- und Gaskonzerne vorzugehen. Im April stellte eine Reihe Abgeordneter den Oil and Gas Industry Antitrust Act vor, der von der FTC Ermittlungen zu gestiegenen Benzinpreisen und Berichte an den Kongress einfordern würde, wie die Behörde Energiepreise in Krisen stabil halten wolle. Doch bislang steckt der Entwurf fest.

Eine andere Vorlage schaffte hingegen bereits eine entscheidende Hürde: Im Mai verabschiedete das Repräsentantenhaus einen Gesetzesentwurf, der dem Präsidenten die Macht geben würde, einen Energienotstand auszurufen, während dessen exzessive Preissteigerungen auf Benzin verboten wären. Dass aus dem Vorschlag jedoch tatsächlich ein Gesetz wird, ist unwahrscheinlich. Im Senat scheint eine Mehrheit für die Vorlage in unerreichbarer Ferne.

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Expertin Scott Morton sieht das gelassen. Schließlich seien illegale Preisabsprachen bereits illegal. „Neue Gesetze sind nicht notwendig, um die bestehenden Regeln durchzusetzen“.

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