Studium Ein Plädoyer gegen den Akademisierungswahn

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Arbeitslosigkeit nach Abschluss exotischer Studiengänge

Befürworter der Akademisierung übersehen, dass die Expansion und zunehmende Spezialisierung der akademischen Ausbildung weitgehend angebotsgetrieben sind. Die duale Ausbildung ist dagegen nachfragegetrieben. Dieser Unterschied zieht erhebliche Konsequenzen nach sich.

Insbesondere im Bereich der Industriefacharbeiter sind Ausbildungsplätze für die Betriebe eine kostenträchtige Investition. Die Firmen werden also nur aktiv, wenn sich diese Investition langfristig für sie auszahlt. Folglich geht von der Bereitstellung eines Ausbildungsplatzes ein verlässliches Marktsignal aus. Das duale Ausbildungssystem produziert relativ passgenau den im Markt benötigten Qualifikationsbedarf und reduziert für Firmen relativ zuverlässig die Einstellungsrisiken von Bewerbern am Beginn ihres Erwerbslebens.

Das ist von enormer Bedeutung für einen hoch regulierten Arbeitsmarkt wie in Deutschland. Ohne dieses Instrument hätten wir in Deutschland wahrscheinlich mit einer ähnlich hohen Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen wie Länder mit vergleichbarer Regulierungsdichte.

In einem akademisierten Bildungssystem fehlen Marktsignale weitgehend. Für die Zertifizierung eines neuen Studiengangs wird lediglich geschaut, ob das Curriculum mit den Ausbildungszielen in Einklang steht. Ob es für den Abschluss eine Nachfrage am Arbeitsmarkt gibt, ist für den Zertifizierungsprozess unerheblich. Deswegen entsteht seit Einführung des Bologna-Prozesses ein exotischer Bachelorstudiengang nach dem anderen – an deren Ende nicht selten die Arbeitslosigkeit steht.

Wie Azubis über die Berufsausbildung denken

Nötig sind Lösungen, die das angebotsgetriebene System in ein nachfragegetriebenes verwandeln.

Mein Vorschlag: Es müsste nach Hochschule und Studiengang offen zugänglich gemacht werden, was aus den Absolventen später geworden ist. Auf diese Weise entsteht Markttransparenz: Studieninteressenten könnten die Ergebnisse bei ihrer Ausbildungsentscheidung berücksichtigen. Dadurch würde ein Marktkorrektiv geschaffen, das einen heilsamen Qualitätswettbewerb der Hochschulen in Gang setzt und junge Menschen vor Fehlentscheidungen bewahren kann.

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