Tempolimit In Amsterdam gilt jetzt Tempo 30: Sollten deutsche Städte nachziehen?

In Amsterdam gilt nun in 80 Prozent der Straßen Tempo 30. In Deutschland würden viele Kommunen gerne nachziehen, doch der Bundesrat legt Steine in den Weg. Quelle: imago images

In der niederländischen Hauptstadt soll es sicherer und stiller werden, deshalb gilt jetzt fast überall Tempo 30. Viele deutsche Städte und Kommunen wollen ähnliche Regelungen, doch es gibt harte Gegner.

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In der Nacht zum Freitag sind in Amsterdam überall spezielle Teams ausgerückt. Ihre Mission: Tausende zuvor aufgestellte Verkehrsschilder freigeben. Denn ab Freitag gilt auf den meisten Straßen der Stadt Tempo 30. Die Grachtenmetropole erhofft sich davon, dass die Stadt nun sicherer und stiller wird.

Das Tempolimit sei notwendig wegen des zunehmenden Gedränges in der Stadt, sagte die für Verkehr zuständige Beigeordnete, Melanie van der Horst. „Dadurch gibt es immer mehr gefährliche Situationen im Verkehr.“ Im vergangenen Jahr sind rund 4800 Verkehrsunfälle gemeldet worden, bei denen ein Krankenwagen gerufen worden war. 15 Menschen starben.

Amsterdam: Vorrang für Fahrradfahrer und Fußgänger

Genau genommen gilt die neue Höchstgeschwindigkeit nur auf gut 80 Prozent der Straßen. Allerdings darf nur auf den großen Durchgangsstraßen weiterhin mit bis zu 50 Stundenkilometer gefahren werden. Ausgenommen sind davon lediglich Stadtbusse, Straßenbahnen und Taxis – und auch nur, wenn es für sie eine extra Spur gibt. Dafür will Amsterdam Fahrradfahrern und Fußgängern den Vorrang einräumen. Im Zentrum wurden auch viele Straßen für den Autoverkehr gesperrt und zu Fuß- und Radzonen gemacht. Außerdem gibt es immer mehr „fietsstraten“, Fahrrad-Straßen, auf denen Autos nur Gast sind und Radfahrer Vorrang haben.

Tempolimit: Wie sieht es in Deutschland aus?

Hierzulande gibt es ebenfalls viele Unterstützer für Geschwindigkeitsbegrenzungen innerorts. Die im Juli 2021 von den sieben Städten Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm gegründete Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ setzt sich genau dafür ein. Inzwischen haben sich ihr über 1000 Kommunen parteiübergreifend und in ganz Deutschland angeschlossen. Darunter sind auch Großstädte wie Berlin, Köln, Düsseldorf, Frankfurt oder Freiburg.

Die Initiative sieht darin ähnliche Vorteile, wie die Stadt Amsterdam: „Die Straßen werden wesentlich sicherer, gerade für die besonders Gefährdeten, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs bzw. mobilitätseingeschränkt sind“, schreiben sie in ihrem Positionspapier. Außerdem würden die Straßen leiser, bei guter Verkehrsführung die Luft sauberer und die Straßen wieder „lesbarer“, denn der „Schilderwald“ würde „gelichtet“ werden. Das hätte auch die Auswirkung, dass sich die Aufenthaltsqualität der Bewohner steigere. Auf einigen Hauptverkehrsstraßen soll den Plänen zufolge aber weiterhin Tempo 50 möglich bleiben.

Kaum Auswirkungen auf das Klima

In einigen Städten, darunter auch Freiburg oder Münster, gibt es bereits seit Juni 2021 das Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde. Eine Studie des Umweltbundesamtes zeigt sogar, dass in diesen Städten weniger Autos unterwegs sind. Allerdings stoßen diese dabei mehr Emissionen aus, wie die sogenannten Fahrzyklen der Universität Graz zeigen. Positiv auf die Umwelt und das Klima wirken sich die Maßnahmen also kaum spürbar aus.



Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) ist sogar der Meinung, Tempo 30 innerorts sei weder aus Umwelt- noch aus Sicherheitsgründen sinnvoll. Im Gegenteil: „Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen führt zu einer deutlichen Zunahme von unerwünschtem Ausweichverkehr in sensiblen Wohngebieten“, schreibt der ADAC in einem Standpunkt. Die Tempo-30-Zonen in Wohngebieten hätten sich hingegen bewährt.

Bundesrat verhindert Reform

Zuletzt sollte eine Straßenverkehrsrechtsreform beschlossen werden, die aus Sicht der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ ein kleiner Fortschritt gewesen wäre. Der Bundesrat stoppte allerdings die Änderungen zur Straßenverkehrsordnung (StVO) und die Novelle zum Straßenverkehrsgesetz (StVG).

„Die geplante Straßenverkehrsrechtsreform hätte die Forderungen der Kommunen bei weitem nicht alle erfüllt, sondern vor allem künftigen Verbesserungen den Weg geebnet“, meint Frauke Burgdorff, stellvertretende Sprecherin der Initiative und Stadtbaurätin in Aachen.

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Große Teile Deutschlands wollen sich also ähnlich entwickeln wie Amsterdam. Nach der Entscheidung der Länderkammer schlägt nun die Stunde des Vermittlungsausschusses.

Mit Material der dpa

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