US-Kongresswahlen Immer mehr Demokraten wollen keine Gelder von Unternehmen mehr annehmen

Wohl kaum in einem anderen Land spielt Geld in Wahlkämpfen eine so große Rolle wie in den USA. Aber viele Wähler sind dessen überdrüssig.

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Washington Senatorin Kamala Harris zählt zu den aufsteigenden Stars bei den US-Demokraten. Als die Kalifornierin im Frühjahr bei einer Diskussionsveranstaltung von einem Wähler gefragt wurde, ob sie Spenden von Unternehmensseite zurückweisen würde, antwortete sie: „Das hängt davon ab.“ Der Fragesteller, offensichtlich selber ein Demokrat oder Sympathisant, war enttäuscht. „Falsche Antwort“, sagte er.

Harris lernte daraus. Weniger als einen Monat später korrigierte sie sich selber: In einer Radioshow sagte sie, dass sie jetzt kein Geld mehr von politischen firmenbezogenen Aktionskomitees annehme. Sie wolle nicht, dass Unternehmen bei Wahlen größeren Einfluss ausübten als es Privatpersonen könnten.

Politische Aktionskomitees, kurz Pacs, sind Organisationen, die Spenden für bestimmte Kandidaten, Parteien oder zur Unterstützung bestimmter Anliegen sammeln. Wird seit langem in den USA über das Gewicht des Geldes in der Politik gestritten, kocht das Thema besonders vor Präsidentenwahlen hoch. Aber diesmal spielt es auch im Vorfeld der US-Kongresswahlen eine Rolle: Es hat sich zu einem neuen Lackmustest für zahlreiche demokratische Politiker entwickelt.

In Anzeigen, Wahlkampfreden und -debatten haben viele von ihnen versprochen, Spenden von „Corporate Pacs“ abzulehnen, also von Aktionskomitees, die mit Firmen verbunden sind. Dazu zählen Kandidaten wie die Senatoren Cory Booker, Kirsten Gillibrand und Elizabeth Warren, die auch als potenzielle Präsidentschaftsbewerber 2020 gelten. Harris muss sich dieses Jahr zwar nicht zur Wahl stellen, aber auch ihr werden Präsidentschaftsambitionen nachgesagt.

Insgesamt haben mehr als 170 Kandidaten für Ämter auf Bundesebene ihre Ablehnung derartiger Pac-Spenden bekundet, wie die Gruppe End Citizens United sagt. Die Organisation kämpft für eine Reform der Gesetze zur Wahlkampffinanzierung.

Die wachsende Bewegung unter den Demokraten hat einen augenscheinlichen Grund: Die Bewerber hoffen, von der Anti-Establishment-Stimmung zu profitieren, die sich Donald Trump in seinem Präsidentschaftswahlkampf 2016 so erfolgreich zunutze gemacht hat.

Allerdings ist die Opposition gegen die betreffenden Pac-Spenden wahrscheinlich mehr symbolisch als finanziell relevant. Denn sie machen nur einen kleinen Prozentsatz der Gelder aus, die ins politische System der USA fließen. „Wenn man mich fragen würde, die zehn Dinge zu nennen, die falsch an der Wahlkampffinanzierung sind, bin ich mir nicht sicher, dass solche Pac-Gelder darunter wären“, sagt etwa Rick Hasen, ein Wahlgesetz-Experte an der University of California in Irvine.

Hasen bezieht sich darauf, dass die betreffenden Corporate Pacs weitgehend Spenden von einzelnen Firmenmitarbeitern sammeln, nicht von den Unternehmen selbst. Und sie dürfen nur jeweils 5000 Dollar pro Kandidat und Wahl ausgeben. Unter dem Strich kommt also somit nur relativ wenig dabei heraus, ein Verzicht bedeutet meistens nur ein kleines Opfer für den Bewerber.

Die große Masse der Wahlkampfspenden kommt aus anderen Quellen, unbegrenzt und weitgehend anonym. Diese Fluttore wurden 2010 durch eine umstrittene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs geöffnet. Sie ermöglicht Spenden von Einzelpersonen, Gruppen, Gewerkschaften und Unternehmen ohne jegliche Obergrenze, sofern diese Gelder nicht direkt Kandidaten oder Parteien unterstützen. Aber sie dürfen für politische Aktivitäten unabhängig von Wahlkämpfen verwendet werden, etwa zur Werbung für - oder gegen - politische Anliegen. Was am Ende praktisch auf Wahlkampfunterstützung hinausläuft.

Für Demokraten war der Umgang mit solchen Spenden, die über sogenannte Super Pacs laufen, eine schwierige Sache. Während die Partei Kritik an der Gerichtsentscheidung übte, umwarben die meisten Kandidaten weiter liberale Spender und das „Big Business“, die Unternehmenswelt. Aber dann deutete die Wahl 2016 darauf hin, dass Wählerfrust über den Einfluss von Geld in der Politik zu einer kraftvollen politischen Strömung geworden sein könnte.

Trump spielte auf dieser Klaviatur, und auch Bernie Sanders profitierte von der Entwicklung. Er wurde im demokratischen Vorwahlkampf ohne Gelder des „Big Business“, die er seit langem ablehnt, zu einem beachtlichen Herausforderer für die Favoritin Hillary Clinton.

So weit, die Unterstützung von Super Pacs und damit das wirklich große Geld von Unternehmen abzulehnen, gehen allerdings bislang nur ganz wenige Kandidaten. Auch gibt es neben den Corporate Pacs jede Menge Aktionskomitees anderer Interessensgruppen, und nur ein Dutzend der Bewerber wollen auch auf deren Gelder verzichten.

Aber auch schon ein kleinere begrenzte Spendenabsage scheint sich auszuzahlen - im wahrsten Sinne des Wortes. Dutzende demokratische Kandidaten, die keine durch Firmenangehörige zusammengekommene Pac-Gelder akzeptieren, haben im zweiten Quartal dieses Jahres umso mehr Spenden aus anderen Ecken erhalten, wie die Gruppe End Citizen United berichtet.

„Es ist ein kluger politischer Schachzug“, sagt Trevor Potter, ein ehemaliger Leiter der US-Wahlbehörde FEC. „Du gibst nicht viel auf (...) und kannst politisch propagieren, dass du gegen das Einfluss-in-Washington-Kaufsystem bist.“

Demokraten argumentieren indes, dass auch Symbolik durchaus zähle, insbesondere angesichts der Tatsache, dass sie derzeit in Washington gesetzgeberisch machtlos seien. Der Abgeordnete David Cicilline aus Rhode Island etwa hat just verkündet, dass er kein Geld mehr von den firmenbezogenen Pacs annehmen werde. Er räumt ein, dass diese Art von Spenden ohnehin nicht viel ausgemacht hätten.

„Ich bin schlicht im Laufe der Zeit zu der Einsicht gelangt, dass wir keinen Fortschritt hin zu einer bedeutenden Reform der Wahlkampffinanzierung erzielen, solange die Republikaner an der Macht sind“, sagt der Demokrat. „Vielleicht ist das hier ein kleiner persönlicher Weg, einen Unterschied zu machen.“

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