




Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt vor einer Beeinflussung der Bundestagswahl durch russische Cyber-Attacken auf deutsche Parteien und Politiker. In der Folge müssten Opfer der „Ausspähung vertraulicher E-Mails oder sonstiger sensibler Daten jederzeit damit rechnen, dass brisante oder kompromittierende Sachverhalte publik gemacht werden“, zitiert die „Bild“-Zeitung (Dienstag) aus dem neuen Verfassungsschutzbericht, der an diesem Dienstag in Berlin vorgestellt wird.
Angriffsziele von aufsehenerregenden Cyberangriffen
Im Dezember 2015 fiel für mehr als 80.000 Menschen in der Ukraine der Strom aus. Zwei große Stromversorger erklärten, die Ursache sein ein Hacker-Angriff gewesen. Es wäre der erste bestätigte erfolgreiche Cyberangriff auf das Energienetz. Ukrainische Behörden und internationale Sicherheitsexperten vermuten eine Attacke aus Russland.
Im Februar 2016 legt ein Erpressungstrojaner die IT-Systeme des Lukaskrankenhauses in Neuss lahm. Es ist die gleiche Software, die oft auch Verbraucher trifft: Sie verschlüsselt den Inhalt eines Rechners und vom Nutzer wird eine Zahlung für die Entschlüsselung verlangt. Auch andere Krankenhäuser sollen betroffen gewesen sein, hätten dies aber geheim gehalten.
Ähnliche Erpressungstrojaner trafen im Februar auch die Verwaltungen der westfälischen Stadt Rheine und der bayerischen Kommune Dettelbach. Experten erklären, Behörden gerieten bei den breiten Angriffen eher zufällig ins Visier.
In San Francisco konnte man am vergangenen Wochenende kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, weil die rund 2000 Ticket-Automaten von Erpressungs-Software befallen wurden. Laut einem Medienbericht verlangten die Angreifer 73 000 Dollar für die Entsperrung.
Im Mai 2015 fallen verdächtige Aktivitäten im Computernetz des Parlaments auf. Die Angreifer konnten sich so weitreichenden Zugang verschaffen, das die Bundestags-IT ausgetauscht werden. Als Urheber wird die Hacker-Gruppe APT28 vermutet, der Verbindungen zu russischen Geheimdiensten nachgesagt werden.
Die selbe Hacker-Gruppe soll nach Angaben amerikanischer Experten auch den Parteivorstand der Demokraten in den USA und die E-Mails von Hillary Clintons Wahlkampf-Stabschef John Podesta gehackt haben. Nach der Attacke im März wurden die E-Mails wirksam in der Schlussphase des Präsidentschaftswahlkampfs im Oktober 2016 veröffentlicht.
APT28 könnte auch hinter dem Hack der Weltdopingagentur WADA stecken. Die Angreifer veröffentlichen im September 2016 Unterlagen zu Ausnahmegenehmigungen zur Einnahme von Medikamenten, mit einem Fokus auf US-Sportler.
Ein Angriff, hinter dem Hacker aus Nordkorea vermutet wurden, legte im November für Wochen das gesamte Computernetz des Filmstudios lahm. Zudem wurden E-Mails aus mehreren Jahren erbeutet. Es war das erste Mal, dass ein Unternehmen durch eine Hackerattacke zu Papier und Fax zurückgeworfen wurde. Die Veröffentlichung vertraulicher Nachrichten sorgte für unangenehme Momente für mehrere Hollywood-Player.
Bei dem bisher größten bekanntgewordenen Datendiebstahl verschaffen sich Angreifer Zugang zu Informationen von mindestens einer Milliarde Nutzer des Internet-Konzerns. Es gehe um Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter. Der Angriff aus dem Jahr 2014 wurde erst im vergangenen September bekannt.
Ein Hack der Kassensysteme des US-Supermarkt-Betreibers Target macht Kreditkarten-Daten von 110 Millionen Kunden zur Beute. Die Angreifer konnten sich einige Zeit unbemerkt im Netz bewegen. Die Verkäufe von Target sackten nach der Bekanntgabe des Zwischenfalls im Dezember 2013 ab, weil Kunden die Läden mieden.
Eine Hacker-Gruppe stahl im Juli 2015 Daten von rund 37 Millionen Kunden des Dating-Portals. Da Ashley Madison den Nutzern besondere Vertraulichkeit beim Fremdgehen versprach, erschütterten die Enthüllungen das Leben vieler Kunden.
Im Frühjahr 2016 haben Hacker den Industriekonzern Thyssenkrupp angegriffen. Sie hatten in den IT-Systemen versteckte Zugänge platziert, um wertvolles Know-how auszuspähen. In einer sechsmonatigen Abwehrschlacht haben die IT-Experten des Konzerns den Angriff abgewehrt – ohne, dass einer der 150.000 Mitarbeiter des Konzerns es mitbekommen hat. Die WirtschaftsWoche hatte die Abwehr begleitet und einen exklusiven Report erstellt.
Im Mai 2017 ging die Ransomware-Attacke "WannaCry" um die Welt – mehr als 200.000 Geräte in 150 Ländern waren betroffen. Eine bislang unbekannte Hackergruppe hatte die Kontrolle über die befallenen Computer übernommen und Lösegeld gefordert – nach der Zahlung sollten die verschlüsselten Daten wieder freigegeben werden. In Großbritannien und Frankreich waren viele Einrichtungen betroffen, unter anderem Krankenhäuser. In Deutschland betraf es vor allem die Deutsche Bahn.
Danach befürchten die Sicherheitsbehörden insgesamt eine weitere Zunahme von Cyber-Angriffen aus China und Russland. „Russland und China wurden mehrfach als Angreifer erkannt“, heißt es in dem Bericht. Die Nachhaltigkeit und Zielauswahl der zuletzt entdeckten Angriffe zeige „deutlich den Versuch, Politik und Bundesverwaltung strategisch auszuspionieren“. Besonders im Visier stehen demnach das Auswärtige Amt, die deutschen Botschaften, das Bundesfinanz- und das Wirtschaftsministerium. Aber auch Kanzleramt und Bundeswehr seien zunehmend „im Fokus der Angreifer“.
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen stellen den Bericht an diesem Dienstag in Berlin vor. Zu den Schwerpunkten zählen die Gefahren des Islamismus, der Links- und Rechtsextremismus in Deutschland und die „Reichsbürger“-Szene. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet diese Bewegung seit November 2016. Sogenannte Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik nicht als Staat an und behaupten, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort.
In dem Bericht warnt der Verfassungsschutz vor einer steigenden Gewaltbereitschaft der „Reichsbürger“. Das Bundesamt fordere in diesem Zusammenhang, dass Polizeibehörden leichter Auskünfte aus dem nationalen Waffenregister bekommen sollten, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). Bisher darf die Polizei Daten nur bei konkreten Ermittlungen und vor einer konkreten Maßnahme abfragen. Bei „Reichsbürgern“ soll ihr das auch zur Abwehr abstrakter Gefahren möglich sein.